Edouard Philippe unterstellt Jens Spahn falsche Zahlenangaben

Bei der Anhörung vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss wegen des schlechten Managements der Covid-19-Krise ist der angeschlagene Premierminister Edouard Philippe in die Offensive gegangen...

Statt eine Frage zur eigenen Politik zu beantworten, leistete sich Edouard Philippe lieber einen Ausfall gegen Jens Spahn. Foto: Amélie Tsaag Valren / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Wie sehr sich die deutsch-französischen Beziehungen in nur wenigen Wochen verschlechtert haben, das konnte man am Mittwoch bei der Anhörung vor dem Untersuchungsausschuss der Assemblée Nationale sehen, wo sich die Regierung gerade unangenehmen Fragen zu ihrem Management der Covid-19-Krise stellen muss. Bei dieser Anhörung hat Premierminister Edouard Philippe Bundesgesundheitsminister Jens Spahn unterstellt, falsche Angaben zur Anzahl der Covid-19-Tests zu machen. Sein Ausfall gegen den deutschen Minister zeigt, wo wir heute in den deutsch-französischen Beziehungen stehen. Am Nullpunkt.

Vorab sollte man erwähnen, dass sich immer mehr elsässische Patienten in deutschen Krankenhäusern befinden, um die überlasteten Krankenhäuser im Elsass zu entlasten, damit diese weitere Patienten aufnehmen können. Flugzeuge der Bundeswehr bringen elsässische Patienten bis nach Hamburg und Berlin und die Bundesregierung versucht, zugegebenermaßen sehr spät, konkret zu helfen.

Vor dem Untersuchungsausschuss fragte der Fraktionsvorsitzender der Konservativen (Les Républicains – LR) Damien Abad den Premierminister, wie Frankreich seinen Rückstand beim Testen auf das SARS-CoV-2 aufholen könne, angesichts der Tatsache, dass beispielsweise in Deutschland fünf Mal mehr Tests durchgeführt werden. Antwort von Edouard Philippe: „Ich bin vorsichtig bei all den Zahlen. Wenn Deutschland jede Woche 500.000 Tests durchführt, sind wir da ganz sicher, dass es wirklich 500.000 Tests sind oder ob sich das Land dies nur zum Ziel gesetzt hat oder ob es technisch dazu in der Lage wäre? Es könnte auch einen Unterschied zwischen der Realität und dem verkündeten Ziel geben…“ Klartext: „Ich bin mit nicht so sicher, ob die Deutschen nicht falsche Zahlen veröffentlichen…“

Abgesehen davon, dass er mit dieser Antwort der eigentlichen Frage auswich, handelt es sich bei dieser Unterstellung schlicht um eine Unverschämtheit. Allerdings zeigt sie auch die Kommunikations-Strategie der französischen Regierung seit Beginn der Krise. Die eigene Bevölkerung wird offen angelogen, um das eigene, nicht berauschende Management zu bemänteln (bis vor drei Wochen behauptete die Regierung, dass das Tragen von Masken unnötig, ja bisweilen gefährlich sei – eine Schutzbehauptung, weil es die Regierung versäumt hatte, beim Anrücken der Epidemie entsprechende Vorräte zu beschaffen), und die nun fast täglichen TV-Auftritte und Regierungserklärungen dienen vor allem einem Zweck – die eigene politische Haut zu retten.

Patrick Hetzel (LR), der als Abgeordneter von Saverne natürlich besonders auf grenzüberschreitende Themen achtet, zeigte sich schockiert: „Diese Aussagen sind von ungekannter Schwere. Noch nie, und vor allem nicht während einer solchen sanitären Krise, hat ein französischer Premierminister auf eine solche Weise einen amtierenden deutschen Minister in Frage gestellt“. Dass es dem Vizepräsidenten der deutsch-französischen Freundschaftsgruppe im französischen Parlament bei einem solchen Ausfall kalt den Rücken herunterläuft, ist klar. „Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat die Zahl von 500.000 Tests pro Woche bestätigt, wobei die Zahl von Dr. Christian Drosten stammt, einem international anerkannten Virologen und Direktor des Instituts für Virologie an der Charité in Berlin“.

Der Fraktionsvorsitzende der Konservativen im Parlament und Fragesteller Damien Abad brachte es auf den Punkt: „Ich hatte Edouard Philippe nicht darum gebeten, die Richtigkeit der deutschen Zahlen in Zweifel zu ziehen, sondern eine Antwort zu unserer eigenen Testpolitik zu geben. Ich bedauere sehr den Mangel an Eleganz seiner Antwort und vor allem, dass ich auf meine Frage keine Antwort erhalten habe.“

Wenn wir nun immer noch nichts Genaueres über die französische Test-Strategie erfahren haben, dann wissen wir jetzt auf jeden Fall eines – der Wiederaufbau der deutsch-französischen Beziehungen wird längere Zeit in Anspruch nehmen als der Kampf gegen das Virus…

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