Ein 42 Jahre andauernder Albtraum…

Heute Nacht wird der erste der beiden Reaktoren des Kernkraftwerks Fessenheim endgültig abgeschaltet. Ein Jahrzehnte dauernder Albtraum nähert sich dem Ende.

Vom Ölberg bei Ehrenkirchen hat man einen freien Blick auf Mordor, äh, Fessenheim. Foto: Andreas Schwarzkopf / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Unser Artikelbild von Andreas Schwarzkopf erzählt eigentlich schon die ganze Geschichte. Aufgenommen wurde das Bild auf dem Ölberg bei Ehrenkirchen – und mitten im Rheintal, nur einen Steinwurf entfernt, liegt das Kernkraftwerk Fessenheim. Wäre es in den letzten 42 Jahren in Fessenheim zu einem Unfall gekommen, dann hätten wohl auch keine Iod-Tabletten mehr geholfen. Und wegrennen hätte auch keinen Zweck mehr gehabt. Heute Nacht nun erfolgt der erste Schritt zur Beendigung dieses Oberrhein-Albtraums – der erste der beiden Reaktoren wird endgültig heruntergefahren, der zweite wird im Sommer abgeschaltet.

Das älteste französische Kernkraftwerk war eine Dauerbedrohung für den Oberrhein. Mitten in einem tektonisch aktiven Gebiet gelegen (im 14. Jahrhundert wurde die Stadt Basel durch ein Erdbeben der ungefähren Stärke 7 auf der Richter-Skala dem Erdboden gleichgemacht), regelmäßig von Überschwemmungen bedroht, hätte ein Unfall in diesem Uralt-Kernkraftwerk das Oberrheintal auf Jahrtausende unbewohnbar gemacht. Da nützte es wenig, dass ein Gericht in Nancy entschied, dass der Oberrhein keine von Erdbeben gefährdete Region sei – selbst französische Gerichte, die dem staatlichen Stromgiganten EdF gewogen sind, können nicht einfach Naturgesetze aushebeln.

Der Betrieb dieses Pannen-Kernkraftwerks, das speziell in den letzten Jahren permanent aufgrund technischer Zwischenfälle heruntergefahren werden musste, war unverantwortlich, aber natürlich reizvoll für den Betreiber EdF, für den sich der Endlosbetrieb eines längst abgeschriebenen Kernkraftwerks als Dauereinnahmequelle darstellte. Aber bevor man nun EdF bemitleidet, sollte man bedenken, dass der Konzern nicht nur eine Entschädigung in Höhe von rund 400 Millionen Euro erhält (die durch „entgangene Gewinne“ bis 2041 weiter aufgestockt werden), sondern auch nicht für die Endlagerung der radioaktiven Abfälle aufkommen muss – ein Geschenk, das die 400 Millionen Euro wie ein Trinkgeld aussehen lässt.

In den letzten Tagen jammerte es laut aus Fessenheim herüber, dass nun so viele Arbeitsplätze verloren gehen und ein ländliches Gebiet geschunden wird. Na ja, auch hier darf man sich bedeckt halten. Zum einen hielt man es in Fessenheim nicht für nötig, den ausgezeichneten Vorschlag zu diskutieren, aus Fessenheim ein Internationales Ingenieurszentrum für den Rückbau von Atomanlagen zu machen, was nicht nur Arbeitsplätze gesichert, sondern auch neue geschaffen hätte, zum anderen kann es ja wohl nicht sein, dass Kommune, Region und Staat keine Folgepläne für Fessenheim entwickelt haben, nachdem seit Jahren klar ist, dass es nun mit dem Kernkraftwerk zu Ende geht! Wenn diese Abschaltung jetzt Fessenheim „unvorbereitet“ trifft, dann hat man dort seit Jahren und Jahrzehnten alles falsch gemacht, was man falsch machen kann.

Der Rest der Region zwischen Basel, Wissembourg und Karlsruhe ist heute Nacht auf jeden Fall in „halber“ Champagnerlaune. Die andere Hälfte werden wir trinken, wenn auch der zweite Reaktor heruntergefahren worden ist. Und das soll dann im Sommer so weit sein. Endlich. Und tschüss.

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