Ein Abschied, der gar keiner ist

Einer der großen Architekten der deutsch-französischen Zusammenarbeit, der Chef der Beruflichen Schulen in Kehl Peter Cleiß, wurde nun in den Ruhestand verabschiedet. Doch so ruhig wird sein Ruhestand auch nicht werden…

Sehr ruhig dürfte der Ruhestand des deutsch-französischen Wirbelwinds Peter Cleiß nicht werden... Foto: © Franck Kobi, Haguenau-5361 / PC

(KL) – Die Bedeutung seines Beitrags zur Entwicklung der deutsch-französischen Zusammenarbeit am Oberrhein wird man vermutlich erst in ein paar Jahren erkennen. Vielleicht aber auch nicht, denn das, was Peter Cleiss in den letzten Jahren in der Region auf die Beine gestellt hat, wird vielen schon bald als Selbstverständlichkeit erscheinen und genau das ist es auch, was Peter Cleiß immer gewollt hat – dass die deutsch-französische Zusammenarbeit und Freundschaft zur Selbstverständlichkeit werden. Dass wir uns auf dem Weg dahin befinden, verdanken wir Menschen wie Peter Cleiß.

Dabei sollte nicht unerwähnt bleiben, dass sich der Adenauer-De-Gaulle-Preisträger Peter Cleiß nicht nur auf die Entwicklung der deutsch-französischen Zusammenarbeit im schulischen Bereich mit zahlreichen konkreten Projekten konzentriert hat, sondern auch in den Bereichen Sport und Kultur Brücken über den Rhein gebaut hat. Und bevor das jetzt anfängt, wie ein Nachruf zu klingen, lassen wir ihn doch lieber selbst zu Wort kommen. Und wir freuen uns schon auf die nächsten deutsch-französischen Projekte, in denen wir ihn wiedertreffen werden. Interview.

Peter Cleiß, Sie sind einer der großen Architekten der deutsch-französischen Zusammenarbeit am Oberrhein. In welchen Bereichen haben Sie die größten Fortschritte in den letzten Jahrzehnten erlebt?

Peter Cleiß: Ich denke, es ist im Verbund mit unseren Partnern gelungen, das Thema Berufliche Bildung zu einem Thema der deutsch-französischen Zusammenarbeit zu machen. Im Bereich des allgemeinen Jugendaustausches und im Bereich allgemeinbildender Gymnasien und Hochschulen sind die Erfolge inzwischen ja beträchtlich. Der Bereich der Berufsbildung fällt dahinter noch zurück. Dafür haben wir das Bewusstsein geschaffen. Heute findet man auf breiter Basis bei Wirtschaft, Politik und Verwaltung Unterstützung für Rheinüberschreitende Berufsbildungs-Projekte bis hin zur Idee einer voll integrierten deutsch-französischen Berufsschule

Haben Sie das Gefühl, dass die erzielten Fortschritte eher abhängig von den handelnden Personen sind oder haben wir Strukturen geschaffen, in denen die „deutsch-französische Sache“ zum personenunabhängigen Selbstläufer wird?

Peter Cleiß: Ganz eindeutig – es sind die Personen. Strukturen sind wichtig, weil engagierte Personen ohne entsprechende Strukturen nicht wirksam arbeiten können. Aber Strukturen alleine arbeiten nicht. Entscheidend ist, dass diejenigen, die an den Schlüsselstellen sitzen, verstehen, warum Fortschritte in diesem Bereich unverzichtbar sind. Für mich ist klar, dass man die Deutsch-Französische Freundschaft und die Europäische Einigung nicht festigen kann, wenn man die Menschen, die eine Berufsausbildung gemacht haben, außen vor lässt. Eine nur akademische Europäische Union wird nicht gelingen.

Sie haben die Beruflichen Schulen Kehl zu einer Art Zentrum der deutsch-französischen Zusammenarbeit der grenzüberschreitenden beruflichen und schulischen Bildung gemacht. Welche der Schritte auf diesem Weg waren für Sie entscheidend?

Peter Cleiß: Zum einen die Vernetzung mit wichtigen Akteuren auf französischer und deutscher Seite. Dann aber auch die enorme Unterstützung durch einen größeren Kreis von Kolleginnen und Kollegen an der BSK selbst. Hier an den BSK gibt es eine ganze Gruppe von „Überzeugungs-Täterinnen und -Tätern“. Und ohne Frage war die durch den Adenauer–De-Gaulle-Preis im Jahre 2017 entstandene öffentliche Aufmerksamkeit von großem Gewicht. Seither ist der gute „Geist einer Deutsch-Französischen Berufsschule“ aus der Flasche. Dass es gelungen ist, die Berufliche Bildung in den neuen Aachener Vertrag zu bekommen, und dass Mitglieder der neuen Deutsch-Französischen Parlamentarier-Gruppe dieses Thema sich zu Eigen machten, sind großartige Erfolge. Jene, die meinen man könne diese Idee aussitzen, werden irgendwann nicht mehr an den Schalthebeln der Macht sitzen, aber die Idee der Deutsch-Französischen Berufsschule wird immer noch da sein.

Die Anerkennung der öffentlichen Stellen in beiden Ländern für Ihre Arbeit ist beeindruckend. Sie werden verdientermaßen mit Auszeichnungen überhäuft – sind Sie das „Feigenblatt“ der öffentlichen Stellen, die weit weniger konkrete Dinge auf die Strecke gebracht haben als Sie?

Peter Cleiß: Das glaube ich nicht. Mein Eindruck ist eher, dass jene, die in den verschiedenen Einrichtungen, Strukturen und Ämtern für Kooperations-Aufgaben zuständig sind, selbst sehr wohl in die gleiche Richtung denken und handeln wollen. Manche von Ihnen haben vielleicht nicht die Freiheit so zu handeln, wie sie gerne handeln würden. Ich kann kein sachliches Argument erkennen, das die Weiterentwicklung von Rheinüberschreitender Zusammenarbeit als überflüssig oder gar schädlich erscheinen lässt. Unser Grundgesetz in Artikel 23 und die Baden-Württembergische Landesverfassung in ihrem Vorspruch sprechen beide von der Notwendigkeit in diesem Sinne zu arbeiten. Ich nehme Grundgesetz und Landesverfassung sehr ernst und vertraue darauf, dass dies für andere auch gilt.

In welchen Bereichen sehen Sie den dringendsten Handlungsbedarf für Politik und Verwaltung, um dieser deutsch-französischen Zusammenarbeit mehr Dynamik zu verleihen?

Peter Cleiß: Stimmige Zuständigkeiten und Demokratisierung sind für mich die zentralen Stichworte. Ein Beispiel: Außenpolitik ist Sache des Bundes. Die Bundesebene und die Regierung in Paris wollen die Deutsch-Französische Berufsschule. Aber Bildung ist in Deutschland Ländersache. Und deshalb muss im gegebenen Fall das Kultusministerium des Bundeslandes gehört werden. Mit dem Ergebnis, dass sich Paris und Berlin einig sein können, aber jedes deutsche Kultusministerium sich verweigern kann. Damit lässt sich weder Europa bauen noch die Deutsch-Französische Freundschaft stabilisieren.

Sie werden zweifellos zu den „aktiven Rentnern“ gehören und bekleiden ja auch zahlreiche Ehrenämter in beiden Ländern, beispielsweise im Bereich des Sports. Wo werden Sie sich künftig engagieren?

Peter Cleiß: Neben Familie und Schule ist der Sport im Allgemeinen und Fußball im Besonderen der Ort, an dem junge Menschen in die Gesellschaft und ihr Wertegerüst integriert werden. Ich werde mich zukünftig sowohl beim Südbadischen Fußballverband SBFV als auch bei den französischen Kollegen der LAFA engagieren. Daneben werde ich aber auch beim Maison de l´emploi Strasbourg in der Arbeitsgruppe zum Projekt „KaleidosCOOP“ mitmachen und mich für die weitere Entwicklung einer deutsch-französischen Berufsbildung stark machen. Und ich werde jene unterstützen die sich für den alleinigen Sitz des EP in Straßburg stark machen, weil ich der Überzeugung bin, dass die Idee eines geeinten Europas Straßburg so sehr braucht, wie das geeinte Deutschland Berlin nötig hatte, egal welche Kosten damit verbunden waren.

 

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