Ein angekündigtes Desaster

Das pharaonische Bauprojekt eines unterirdischen Bahnhofs in Stuttgart, „Stuttgart 21“, entwickelt sich genauso, wie es sich bereits im Vorfeld abzeichnete – als organisiertes Desaster.

Diejenigen, die im Vorfeld darauf hinwiesen, was passieren würde, wurden als Spinner abgetan. Dabei hatten sie Recht. Foto: Marco bartoli at German Wikipedia / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Na, das war aber eine Überraschung! Stuttgart 21 wird nicht wie geplant fertig und, wer hätte das gedacht, das Bauprojekt wird deutlich teurer als geplant. Doch auch das hatten die S21-Gegner bereits im Vorfeld prognostiziert – denn alle mit diesem Projekt verbundenen Schwierigkeiten waren vorher bekannt. Alleine, die Verfechter des Projekts S21 hatten, ähnlich wie die Verantwortlichen des „Brexit“ oder der Elbphilharmonie oder des neuen Berliner Flughafens einfach die Zahlen so manipuliert, dass eine Entscheidungen entsprechend positiv beeinflusst werden sollte. Erneut hat man uns belogen und ein mehr als fragwürdiges Großprojekt unter Vorspiegelung falscher Tatsachen einfach durchgezogen.

Schauen wir uns einmal an, wie dieses Projekt von einem ursprünglichen Budget von ca. 2,6 Milliarden Euro zu einem Fass ohne Boden wurde – realistische Schätzungen gehen von Gesamtkosten von bis zu 10 Milliarden Euro aus, nach heutigem Stand behaupten die Projektträger, dass sie wohl mit 6,5 Milliarden Euro auskommen könnten. Und dass der Kostenrahmen um das Zwei- bis Dreifache gesprengt wird, das wird ja mittlerweile bei öffentlichen Bauvorhaben als „normal“ betrachtet.

Als 1995 die Verträge zwischen Stadt, Land, Bund und der Bahn unterschrieben wurden, ging man von Kosten in Höhe von 2,6 Milliarden Euro aus. 2008 schätzte man die Kosten dann schon auf knapp über 3 Milliarden Euro. 2009 verkündet Bahnchef, dass man das Gesamtprojekt neu überdenken müsse, wenn der Kostenrahmen 4,5 Milliarden Euro übersteigen würde, da sich das Projekt ab diesem Zeitpunkt nicht mehr rechnen könnte. 2011 besagte ein Gutachten des Umweltbundesamtes, dass die Gesamtkosten rund 11 Milliarden betragen könnten, also das Vierfache des ursprünglichen Budgets. Da das aber niemand hören wollte, wurde dieses Gutachten weitgehend unter den Teppich gekehrt.

Heute rechnet man offiziell mit Kosten von 6,5 Milliarden Euro, allerdings sind fast alle Gutachten einig darüber, dass dieses Projekt kaum unter 10 Milliarden Euro zu realisieren sein dürfte.

Und dies führt zu der Feststellung, dass die 2011 durchgeführte Volksabstimmung eine Farce war. Die Menschen in Baden-Württemberg stimmten damals nicht nur über das Projekt S21, sondern auch über dessen Finanzierung ab. Und man erinnert sich dunkel, dass damals Ministerpräsident Winfried Kretschmann versprach, dass sollte der Kostenrahmen von 4,5 Milliarden Euro gesprengt werden, das dann eben das Problem der Bahn sei. Und heute, wo sich abzeichnet, dass das Projekt mindestens doppelt so teuer wird, ist es zum Glück aus der öffentlichen Diskussion verschwunden.

Entwickelt sich Deutschland gerade zum Land der Großprojekte, die nicht funktionieren? Die Hamburger Elbphilharmonie sollte 77 Millionen Euro kosten, doch am Ende kostete sie stolze 866 Millionen Euro; der neue Flughafen in Berlin, von dem niemand weiß, wann und ob er eröffnet wird, war mit Kosten von 2,8 Milliarden geplant gewesen, bis heute wurden dort aber bereits rund 6 Milliarden verbraten, ohne dass diese Baustelle auch nur annähernd fertig wäre. Und jetzt S21.

Dabei war das Desaster von S21 vorhersehbar. Diejenigen, die genau diese Rechnungen vorab präsentiert hatten, wurden damals von den politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen als Spinner und Blockierer verunglimpft worden – wenn es um so viel Geld geht, dann wird eben auch mit allen Mitteln gekämpft.

Ob S21 am Ende 9, 10, 11 oder 15 Milliarden kosten wird, ist eigentlich egal. Einmal mehr wurden die Wählerinnen und Wähler getäuscht. Wir müssen uns gar nicht darüber aufregen, dass die Amerikaner für Trump, die Türken für Erdogan und die Briten für den „Brexit“ gestimmt haben – bei uns läuft es ja auch nicht anders. Nur, wenn das Wahlvolk so häufig getäuscht wird, dann darf man sich nicht wundern, dass es auf Grundlage falscher Informationen seltsame Entscheidungen trifft. Und nebenher geht still und leise die Demokratie den Bach ‚runter. Doch sollte niemand sagen, er habe es nicht kommen sehen…

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