Ein Brief an die lieben Französinnen und lieben Franzosen

Mit einem Brief an seine Landsleute will Präsident Macron Frankreich beruhigen und befrieden. Sein Gesprächsangebot stößt allerdings bei den „Gelbwesten“ auf wenig Begeisterung.

Briefeschreiben kommt gerade wieder richtig in Mode... Foto: Doudoulolita / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Die Verhandlungen zwischen der Regierung und den „Gelbwesten“ ist im Grunde vorbei, bevor sie überhaupt angefangen hat. Und Frankreich merkt, dass der Weg aus der aktuellen Krise viel schwieriger werden wird, als man das bisher dachte. Es fehlt eine gemeinsame Gesprächsgrundlage und damit aus einem angebotenen Dialog etwas werden kann, benötigt man Gesprächspartner, die halbwegs kohärente Dinge fordern.

In seinem Brief an die „lieben Französinnen, lieben Franzosen und lieben Landsleute“ definiert Emmanuel Macron den Rahmen dieser „Großen Nationalen Debatte“, die an die Aktion der „Klagehefte“ („cahiers de doléances“) anknüpft und der eine oder andere dürfte bei dieser Terminologie bereits wieder von 1789 träumen. Denn nach den „Cahier de doléances“ müssten in revolutionärer Tradition auch die „Generalstände“ einberufen werden. Die gibt es aber 2019 nicht mehr und auch inhaltlich geht es 2019 nicht um die gleichen Dinge wie 1789. Natürlich hat Macron Recht, dass er bestimmte Themen aus dieser Debatte ausklammert. So wird bei dieser Debatte sicherlich nicht darüber gesprochen werden, wie man am besten den Präsidenten stürzt und eine Populär-Diktatur einführt, von der die eine oder andere „Gelbweste“ träumt.

Dafür hat Macron in seinem Schreiben vier Hauptthemen umrissen, die Gegenstand dieses gesellschaftlichen Dialogs sein sollen. Die Steuerpolitik und öffentlichen Ausgaben stehen ebenso auf dem Programm wie die Organisation des Staats und der öffentlichen Dienste, der ökologische Wandel und das Thema Demokratie und Bürgerschaft. Andere Themen sollen nicht diskutiert werden und genau das gefällt natürlich den „Gelbwesten“ nicht.

Deren Hauptforderung ist der Rücktritt Macrons und die Einführung des „RIC“ (Referendum auf Bürgerinitiative) und dass der Präsident nicht mit den „Gelbwesten“ über seinen eventuellen Rücktritt debattieren wird, ist klar. Macrons Job ist es, die französische Republik und deren Institutionen zu schützen, doch wurde er mit der Ansage gewählt, dass er „eine neue Software im Staat installieren wolle“ und er hatte eine „neue Welt“ angekündigt. Bislang erleben die Franzosen aber lediglich die „alte Welt“ im Amateurmodus und hierbei ist klar, dass Macron die Franzosen nicht nur anhören kann, sondern dass er auch agieren muss – schnell.

In der Zwischenzeit werfen ihm die „Gelbwesten“ vor, ihre Bewegung spalten zu wollen. Genau das tut Macron, und genau das ist richtig. Da die „Gelbwesten“ selbst nicht in der Lage waren, das neonazistische, antisemitische, xenophobe und homophobe Pack aus ihrer Bewegung auszugrenzen, macht das eben Macron jetzt für sie. In den nächsten Wochen werden die Ordnungskräfte sehr konsequent gegen die gewalttätigen und extremistischen Elemente dieser Bewegung vorgehen, während sich gleichzeitig eine erste Struktur der „Gelbwesten“ herauskristallisiert, die in einer organisierten Form sicherlich einer der Diskutanten in diesem gesellschaftlichen Dialog sein kann.

Mit dem „Großen Nationalen Dialog“ sollte ein anderer Ton in die Debatte einziehen. Wenn 10 oder 12 % der Bevölkerung ein Anliegen haben und über dieses verhandeln wollen, dann müssen sie schon auch an den entsprechenden Verhandlungen teilnehmen. Wer allerdings weiter auf der Straße versucht, diffuse und extremistische Positionen mit Gewalt durchzusetzen, der wird nicht sehr weit kommen. Die rechts- und linksextremen Kräfte, die diese Bewegung unterlaufen haben, sind identifiziert und werden keine Chance haben, weiterhin eine in sich gerechtfertigte Sozialbewegung für ihre extremistischen Putschpläne zu missbrauchen. Die „Gelbwesten“ werden sich folglich entscheiden müssen, ob sie ab sofort verhandeln wollen oder es vorziehen, weiterhin das Land anzuzünden. Sollten sie verhandeln, dürften den „Gelbwesten“ viele Sympathien zufliegen, sollten sie aber weiterhin jedes Wochenende ihre Gewaltorgien organisieren, liefern sie selbst der Polizei die Rechtfertigung für hartes Durchgreifen.

Vielleicht sollte man es wie bei festgefahrenen Tarifverhandlungen machen und einen externen Schlichter hinzu ziehen. Das Betttuch zwischen Macron und den Gelbwesten ist zerschnitten, was viele Gründe hat, die in erster Linie Macron zu verantworten hat. Doch wenn die eine Seite nicht verhandeln will und die andere Seite nicht kann, dann wäre es vielleicht Zeit für eine Schlichtung.

Der Brief an seine Landsleute wird den Lauf der Dinge noch nicht ändern. Aber der Start der „Großen Nationalen Debatte“ könnte ein Anfang sein – ein Anfang der sozialen Reformen, der Reformen eines Beamtenstaats, der sich selbst zu Tode verwaltet und der Befriedung des Landes. Es steht viel auf dem Spiel und beide Seite werden über viele Schatten springen müssen, um sich anzunähern. Am besten wäre es, sie würden gleich alle loslegen…

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