Ein Fall für den Psychologen?

In diesen Tagen feiert sich die Stadt Straßburg einmal mehr – mit der Veranstaltungswoche „Strasbourg, mon amour“ wird das allerdings langsam peinlich.

"Lieben wir uns vom 7. bis zum 16. Februar", so der Slogan von "Strasbourg, mon amour". Und danach? Nicht mehr? Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Woher nur kommt dieses Bestreben der Stadt Straßburg, permanent die Hauptstadt von irgendetwas sein zu müssen und ständig neue Titel zu erfinden, die man sich selbst an die Brust heften kann? Ist dieses Streben nach Superlativen vielleicht der Ausdruck eines tief verwurzelten Minderwertigkeits-Komplexes? Das ist doch nun wirklich nicht nötig.

Wenn man den Begriff „Stadt der Liebe“ hört, woran denkt man dann? Klar, an Paris. Ans schottische Gretna Green, wo man spontan heiraten kann. Oder vielleicht noch an Verona, wegen Romeo und Julia. Oder an das verträumte Fischernest an der Küste, wo man so schöne Tage verbracht hat. Aber denkt man bei „Stadt der Liebe“ an Straßburg? Die Verantwortlichen der Stadt Straßburg tun das und versuchen seit Jahren mit „Strasbourg, mon amour“ eine Veranstaltung zu befördern, die diesen Status als „temporäre Hauptstadt der Liebe“ zementieren soll.

Auf dem zentralen Kleber-Platz ist ein großes Festzelt aufgebaut, das von grimmig und wenig verliebt aussehenden Sicherheitsleuten bewacht wird, und drinnen, na ja, drinnen ist Liebe. Salsa, Partys, Ringelpiez mit und ohne Anfassen. Schön. Und nun sollen also die Touristen aus aller Welt nach Straßburg kommen, um hier ihre Liebe zu feiern, Sie wissen schon, wegen Sankt Valentin am Freitag.

Aber wohin soll diese Hauptstadt von diesem und jenem Eigenlobhudelei noch hinführen? Die Glaubwürdigkeit eines solchen Status kommt nicht aus einer penetranten Kommunikation, sondern aus den Realitäten vor Ort. Europahauptstadt? Ohne jeden Zweifel. Hauptstadt der Weihnacht? Traditionell begründet und daher auch richtig. Hauptstadt des Departements Bas-Rhin? Keine Frage. Aber damit sollte es eigentlich auch gut sein.

Ob es nun in dieser Woche die Verliebten dieser Welt tatsächlich nach Straßburg zieht, das wird man sehen. Die Hotelkapazitäten sind ohnehin durch die Sitzungswoche des Europäischen Parlaments bis Donnerstag ausgebucht, weswegen es Zahlen wohl erst hinterher gibt.

Feiern wir also die Woche der Liebe. In der selbsternannten Hauptstadt der Liebe. Und nach dieser Woche legen wir die Stadt Straßburg auf den Diwan und versuchen herauszufinden, wieso sie eigentlich ständig der Welt mitteilen muss, wie klasse sie doch ist. Das ist ein wenig so, wie wenn ein intelligenter Mensch an jeder Stelle zum Besten gibt, wie intelligent er oder sie doch ist – am Ende glaubt man das Gegenteil.

Straßburg ist eine wunderbare Stadt, die dieses dauernde Eigenlob eigentlich gar nicht nötig hat. Im Gegenteil, langsam fängt man an sich zu fragen, ob diejenigen, die dauernd diese Superlative durch die Welt schleudern, selber daran glauben, wie großartig Straßburg ist. Ein wenig Entspanntheit würde der Stadt gut zu Gesicht stehen. Um eine tolle Stadt zu sein, muss man nicht in jedem Bereich mit Superlativen protzen. Hand auf’s Herz – die Stadt der Liebe ist nicht Straßburg, sondern Paris. Und daran wird auch die schönste institutionelle Kommunikation nicht viel ändern…

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1 Kommentar zu Ein Fall für den Psychologen?

  1. Howiller Alain // 12. Februar 2020 um 10:41 // Antworten

    Nun endlIch jemanden der die richtige Frage stellt:warum muss Strasbourg absolut neue Tittel erfinden oder bekommen?Strasbourg braucht nicht über seinen Schatten springen.Die Stadt ist nun einfach unsere Stadt:und wir lieben Sie.Alles Gute.Alain Howiller.

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