Ein Geheimdienst, der ziemlich nutzlos ist…

Der Bundesnachrichtendienst (BND) beschäftigt jede Menge hoch bezahlter Spezialisten – die falsche Bewertungen von Situationen abgeben. Kaffeesatz lesen wäre billiger…

Hier erarbeiten erstklassige Experten erstklassige Einschätzungen... Foto: Bjs / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Da haben wir ein paar echte Champions. Am 13. August teilten die Experten des BND dem Krisenstab der Bundesregierung mit, dass die Taliban Kabul wohl erst am symbolträchtigen 11. September einnehmen würden, dem Jahrestag der Anschläge 2001 auf das World Trade Center in New York. Zwei Tage später standen die Taliban vor den Toren Kabuls. Offenbar haben die letzten 20 Jahre eines völlig sinnlosen Krieges in Afghanistan nicht ausgereicht, dass diese hoch bezahlten Experten auch nur ein Grundverständnis des Landes Afghanistan, seiner Bevölkerung und seiner Situation entwickeln.

Kein Wunder, dass die Bundesregierung eine Evakuierung immer wieder verschob und auch nicht richtig vorbereitete – denn die Experten des BND sahen keinen Grund zur Eile, obwohl die Taliban zu diesem Zeitpunkt Stadt um Stadt einnahmen. Dennoch meinten die Experten im fernen Berlin, die Absichten der Taliban-Führung zu kennen. Man gehe davon aus, so der BND, dass die Taliban derzeit kein Interesse daran hätten, die Hauptstadt Kabul einzunehmen. Daher sei ein Einrücken der Taliban aktuell „eher unwahrscheinlich“.

Die Realitätsferne der Experten ist erstaunlich. Zum Zeitpunkt dieser Einschätzung hatten die Taliban innerhalb einer Woche 18 von 34 Provinzhauptstädten mehr oder weniger kampflos eingenommen und standen bereits 70 km vor Kabul. Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass die reguläre afghanische Armee den Taliban praktisch keinen Widerstand entgegensetzte und deren eher leichte Bewaffnung durch moderne Waffen ergänzte, die den Taliban bei den reihenweisen Kapitulationen in die Hände fielen. Die Vorstellung, dass afghanische Soldaten, die unter dem Kommando von Warlords standen, die ihrerseits von den USA entlohnt wurden, ihr Leben im Kampf gegen die Taliban opfern würden, die war schon sehr westlich.

Doch diese unglaubliche Fehleinschätzung einer Entwicklung, die vor den Augen der Weltöffentlichkeit stattfand, ist mehr als nur eine „Panne“, denn sie wird viele Menschenleben kosten. Dass die Politik ihre haarsträubenden Fehler, wie die Weigerung von CDU und SPD im Juni, afghanische Ortskräfte sofort zu evakuieren, auf Grundlage dieser stümperhaften Einschätzungen des BND machte, ist verständlich. Welchen Informationen sollte die Regierung auch Glauben schenken, wenn nicht denen der hochbezahlten Experten des BND?

Offenbar vertrauten die „Experten“ darauf, dass die 20 Jahre lang von westlichen Ausbildern gedrillten afghanischen Soldaten den Taliban einen Kampf auf Leben und Tod liefern würden, um unsere „westlichen Werte“ zu verteidigen. Im Juni sollen hohe BND-Beamte nach einem Bericht von „Business Insider“ gegenüber Abgeordneten die Einschätzung kundgetan haben, dass es „18 bis 24 Monate“ dauern würde, bis die Taliban das Land erobert haben. Dabei rechneten sie offenbar mit langen Schlachten, langsamen Truppenbewegungen, schleppenden Landgewinnen der Taliban. Diese Fehleinschätzung basiert auf der völlig irrigen, westlichen Annahme, dass die Afghanen bereit wären ihr Leben hinzugeben, um die „westliche Demokratie“ zu verteidigen. Aber es gibt eben Regionen in der Welt, für die das Modell der „westlichen Demokratie“ nicht das höchste aller Güter ist und die nach völlig anderen Werte-Schemata funktionieren.

Die Realitäten haben es gezeigt. Überall dort, wo die Taliban auftauchten, legten die regulären afghanischen Soldaten die Waffen nieder, die sie kommandierenden Warlords trafen ihre Absprachen mit den Taliban und diese konnten ungehindert durch das Land marschieren. Doch dass zwei Tage vor dem Fall von Kabul noch die Meinung vertreten wurde, dass die Taliban bis zum 11. September warten würden, um Kabul einzunehmen, das hat nichts mehr mit Geheimdienstarbeit zu tun, sondern ist Wunschdenken durch westliche Filter.

Aber machen wir uns nichts vor. Im schlimmsten Fall wird hinterher ein Unterabteilungsleiter des BND in eine andere Abteilung strafversetzt und das war es dann. Mit Konsequenzen für diese administrative Fehlleistung wird, wie immer, niemand rechnen müssen. Egal, wie viele Menschenleben sie kosten wird.

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