„Ein günstiges Marktumfeld“

Mit diesen Worten begründet der Chef des Öl-Giganten Exxon, Darren Woods, die Rekordgewinne, die sein Unternehmen, aber auch die ganze Branche, im Kriegsjahr 2022 eingefahren haben. Die Branche zählt zu den Kriegsgewinnlern.

Der Kapitalismus pervertiert sich gerade selbst - und geht seinem Ende entgegen... Foto: NewInt / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Gewinne der Öl-Konzerne schießen durch die Decke. TotalEnergie, ExxonMobil, BP, Chevron und wie sie alle heißen, vermelden nie dagewesene Rekordgewinne, schütten Rekord-Dividenden an ihre reichen Investoren aus und fahren Programme zum Rückkauf der eigenen Aktien, um das eigene Stammkapital besser zu kontrollieren. Kurz, die Unternehmen, die der amerikanische Präsident Joe Biden als „Kriegsgewinnler“ bezeichnet, schwimmen im Geld und damit sie eine derartige Geldvermehrung erzielen können, sterben täglich Menschen in der Ukraine. Denn diese Erfolgswelle der Öl-Branche ist einzig und alleine dem Krieg in der Ukraine geschuldet. Den Aktionären der Öl-Konzerne ist das egal. Sie füllen sich die Taschen und interessieren sich nicht für das Elend der Menschen in der Ukraine, die Verarmung der Gesellschaften in Europa, die vom Krieg ausgelösten Hungersnöte in Afrika. Pecunia non olet.

Die Welt erlebt gerade den Wild West-Kapitalismus in Reinkultur. Damit einige, wenige Investoren dank des Kriegs Milliardengewinne einfahren, für die ihre Unternehmen nicht den geringsten Mehrwert geleistet haben, nimmt man in Kauf, dass die Menschen in der unteren Mittelschicht mehr und mehr in die Armut absinken. Soweit das Problem im Westen. In Afrika haben die Verwerfungen durch den Ukraine-Krieg bereits Hungersnöte ausgelöst, während die Vorstände der Öl-Konzerne schnell noch Sonder-Dividenden und Boni mit vollen Händen verteilen. Aber natürlich nur unter denen, die bereits mehr als genug haben. Ein tolles Geschäftsmodell – wir nehmen es von denen, die ohnehin kaum noch etwas haben und geben es denjenigen, die nicht wissen, wohin mit dem vielen Geld.

Beispiel Exxon. – Im Kriegsjahr 2022 konnte der Konzern das beste Ergebnis seiner 140jährigen Unternehmensgeschichte einfahren – einen Gewinn von 56 Milliarden Dollar. Gewinn, nicht Umsatz. Die gesamte Branche, so schätzen Beobachter des Markts, hat 2022 einen Gewinn von 190 Milliarden Dollar erzielt. Und gleichzeitig wissen Arbeitnehmer nicht mehr, wie sie in der zweiten Monathälfte den Tank füllen sollen, um zur Arbeit zu fahren.

Der Ukraine-Krieg bringt vieles schonungslos ans Tageslicht, was man zwar wusste, was einen aber im täglichen Leben kaum belastet hat. Unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ist am Ende einer Sackgasse angekommen, doch nach wie vor klammern sich diejenigen, die diese maroden und korrupten Systeme reformieren könnten, am Status Quo fest. Bis es eines Tages kracht.

Der Krieg in der Ukraine ist also ein „günstiges Marktumfeld“. Wie „günstig“ es wirklich ist, wird sich zeigen. Denn die Ungerechtigkeiten, der kalte Zynismus des Kapitalismus, der sich an weltweiten Krisen wie Pandemie, Krieg, Not und Hunger bereichert, sind selten so sichtbar geworden wie in den letzten drei Jahren. Es ist fraglich, ob die Gesellschaft diese Wegelagerei im Armani-Anzug noch sehr lange dulden wird. Es wird einen Punkt geben, an dem das Fass überläuft und was danach passiert, dürfte für die zynischen Kriegsgewinnler nicht so „günstig“ werden.

Der Kapitalismus hat sich ebenso überlebt wie zuvor bereits der Kommunismus und der Sozialismus. Die Welt ist nicht mehr diejenige, die sie war, als diese Systeme erdacht und eingeführt wurden. Es ist höchste Zeit für neue Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle, in denen Konzepte wie „Solidarität“, „Teilen“ oder auch „Gemeinwohl“ höher eingeschätzt werden als „Shareholder Value“, „Dividende“ und „Aktienkurs“. Viel Zeit bleibt allerdings nicht, um doch noch den Weg der Vernunft einzuschlagen. Denn die Risse durch die Gesellschaft und inzwischen sogar durch die Welt, werden jeden Tag tiefer. Lange wurden diese unglaublichen Ungerechtigkeiten als „alternativlos“ präsentiert. Man darf gespannt sein, wann die Wirklichkeit die Kriegsgewinnler und Profiteure eines Besseren belehrt.

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