Ein heilsamer Blackout…

Einige Stunden lang waren die Online-Dienste Facebook, WhatsApp und Instagram nicht erreichbar. Für einige „Süchtige“ die schlimmsten Stunden des Jahres…

Für künftige Blackouts empfehlen wir die Facebook-Beruhigungspillen... Foto: MediaModifier / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Die Welt erlebt momentan eine Katastrophe nach der anderen. Doch für viele waren vorgestern alle anderen Katastrophen reine Nebensache, denn die Online-Dienste Facebook, WhatsApp und Instagram waren für einige Stunden nicht erreichbar. Für diejenigen, die sich langsam, aber sicher von der realen Welt verabschieden und ihr Dasein in „Facebook-Land“ fristen, war das eine schlimme Erfahrung.

Grund für die Störung war ein technischer Fehler bei den Betreibern dieser Dienste – einige Stunden lang waren die Hauptdomains dieser Dienste nicht erreichbar. So weit, so gut. Doch innerhalb weniger Minuten breitete sich in den sozialen Netzen ein Hauch von Panik aus. Zu Beginn der Störung, als das eine oder andere noch funktionierte, häuften sich die Posts „Hilfe! FB wird immer langsamer. Nur bei mir?“ – Nein, das galt für alle. Und irgendwie kam diese Störung zu einem pädagogisch wertvollen Moment.

Was der Blackout wirklich anrichtete, lässt sich in Zahlen ausdrücken: 25 Milliarden WhatsApp Nachrichten und 54 Millionen Facebook-Messages wurden nicht gesendet; 3,75 Milliarden Minuten wurde weniger über WhatsApp telefoniert, 125 Millionen Instagram Stories konnten nicht gepostet werden; 3,6 Milliarden Minuten, die sonst auf Instagram verbracht worden wären, wurden für etwas anderes genutzt und 53 Millionen Fotos wurden nicht auf Facebook hochgeladen (Quelle: TechCrunch). Da verblassen doch alle anderen Katastrophen…

Immer mehr Menschen leben in der Parallelwelt der sozialen Netzwerke, wo sie Bestätigung für die eigenen Meinungen, Überzeugungen und Ansichten erhalten, egal wie schräg diese sind, und wo man umgekehrt auch seine täglichen Aufreger findet. Doch wie interessant ist ein Leben in „Facebook-Land“ wirklich?

Für andere waren diese Stunden ohne soziale Netzwerke richtig erholsam. Keine Fotos von Mahlzeiten, keine Fotos von Gruppen in Kneipen und Restaurants, keine hasserfüllten Kommentare zum Tagesgeschehen, keine Komplottisten mit ihren durchgeknallten Theorien, keine Krokodilstränen, weil ein Unternehmer und Politiker gestorben ist, keine hämischen Ansagen zur aktuellen politischen Lage – das war ein echtes Alternativprogramm!

Vielleicht sollten Facebook & Ko. öfters mal einen solchen Tag einstreuen, an dem die Süchtigen entdecken, dass man „Freunde“ auch im wirklichen Leben haben kann, dass es so etwas wie Bücher gibt, dass man mit Menschen auch live diskutieren kann und dass es sich nicht unbedingt schlechter lebt, weil man keinen Livebericht vom Mittagessen von „Freunden“ anschauen kann, die man im wirklichen Leben noch nie getroffen hat.

Für die Zuckerberg & Kollegen ist das eine Erfahrung, zumal sich sofort nach Wiederanlauf der Netze alles darauf stürzte, um die letzten Nachrichten zu erhalten. Und so erfuhr dann die Welt, dass Herbert F. aus Wanne-Eickel heute Morgen zum Frühstück selig ein Pils gezischt hat. Wie gut, dass wir die Stunden ohne soziale Netzwerke überlebt haben…

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