Ein herber Doppelschlag für die Elsässer Autonomisten

Am 1. Januar 2016 trat die französische Gebietsreform in Kraft, mit der die Anzahl der französischen Regionen von 22 auf 14 reduziert wurde. Seitdem gibt es keine „Region Elsass“ mehr.

Aus der in rot dargestellten "Région Grand Est" würden etliche Elsässer gerne aussteigen. Aber dazu wird es wohl kaum kommen. Foto: TUBS / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0de

(KL) – Es sind schwierige Wochen für die Elsässer Autonomisten, die auch acht Jahre nach Inkrafttreten der Reform der Regionen davon träumen, dass es eines Tages wieder eine eigene „Region Elsass“ geben könnte. Doch in den letzten Tagen erhielten diese Hoffnungen gleich zwei Dämpfer: Erst erklärte Präsident Macron bei einem Besuch in Straßburg, dass eine Neuorganisation der Regionen nicht auf der politischen Agenda steht und im Nachgang schrieben eine Reihe der elsässischen und regionalen Bürgermeister und Bürgermeisterinnen an den Präsidenten und baten diesen, dieses Thema auch nicht wieder aufzugreifen, denn inzwischen hätten sich die meisten an diese Reform gewöhnt. Und damit rückt eine eigene „Region Elsass“ in immer weitere Ferne.

In ihrem Schreiben erklären 36 BürgermeisterInnen und andere Verantwortliche aus dem Elsass und der „Région Grand Est“, darunter der wichtigen Städte Straßburg und Mulhouse, dass diese Reform, anders als von den Autonomisten befürchtet, keineswegs die „regionale Identität“ beschädigt oder gar zerstört hätte. Das war 2015/16 das Hauptargument der Verfechter einer „Region Elsass“ und in der Tat, es wäre das erste Mal gewesen, dass eine Verwaltungsreform eine regionale Identität beschädigt hätte. Schade, dass die Verfechter einer „Region Elsass“ damals wie heute mit den falschen Argumenten unterwegs waren, und damit selbst dazu beigetragen haben, dass dem Elsass mit der Region Champagne-Ardenne und Lothringen zwei weitere Regionen zur Seite gestellt wurden. Schade deshalb, weil es sehr gute Argumente für eine „Region Elsass“ gegeben hätte, angefangen von den grenzüberschreitenden Realitäten des Elsass, bis hin zur wirtschaftlichen Kooperation mit den Nachbarländern.

Unvergessen bleiben die Demonstration auf dem Straßburger Place de Bordeaux, wo damals 15.000 Menschen für eine „Region Elsass“ demonstrierten und dabei Schilder wie „Suurkraut un Champagner goht net guet zämme“ hochhielten. Dass man angesichts dieser Demonstration, die teilweise von rechtsextremen Kräften getragen war, im übrigen Frankreich befürchtete, dass sich im Elsass wieder pro-germanische Kräfte sammeln, ist klar. Auch die Demonstration der elsässischen Abgeordneten im französischen Parlament, wo sie eine meterlange Banderole ausrollten, auf der stand „Ihr bringet’s Elsass um!“, was natürlich kaum einer der anwesenden Abgeordneten verstand, war wenig hilfreich, sondern stärkte das Gefühl in Paris, dass es besser sei, dem Elsass zwei weitere Regionen zur Seite zu stellen und mit diesen die neue „Région Grand Est“ zu bilden.

Das Thema des Ausstiegs des Elsass aus dieser „Région Grand Est“, das für einige lokale und regionale Politiker so etwas wie eine Lebensaufgabe geworden ist, ist eigentlich fertig. In Paris ist man höchstens bereit, den regionalen Körperschaften einige zusätzliche Kompetenzen einzuräumen, doch das wird’s dann auch gewesen sein.

Das Argument, das man im Elsass immer wieder hört, nämlich dass 92 % der Elsässer für den Ausstieg aus der „Région Grand Est“ seien, ist falsch. An der von der Collectivité européenne d’Alsace (CeA) 2021/22 durchgeführten Befragung, beteiligten sich lediglich 142.000 der rund 1,3 Millionen Wahlberechtigten, was gerade einmal 12 % darstellt und zeigt, dass das Thema den Rest der Bevölkerung des Elsass nicht wirklich hinter dem Ofen hervorlockt. Und somit wurde diese „Volksbefragung“ zu einem kostspieligen Flopp, dessen Aussagekraft eigentlich das Gegenteil dessen besagt, was die Verfechter eines Ausstiegs des Elsass aus der ungeliebten „Région Grand Est“ erreichen wollten.

36 Bürgermeister und Bürgermeisterinnen haben das aktuelle Schreiben an Emmanuel Macron unterzeichnet, darunter Straßburg, Mulhouse, Saverne, Haguenau, Obernai, die Eurometropole Straßburg, aber auch Bürgermeister weiterer Städte der „Région Grand Est“ wie Metz, Troyes, Reims, Charleville-Mézières, der Präsident der „Région Grand Est“ und weitere regionale Verantwortliche. In diesem Schreiben wird gefordert, die Dinge jetzt so zu belassen, wie sie sind und an einer optimalen Ausgestaltung dieser Verwaltungseinheit zu arbeiten. Wie die Elsässer Autonomisten mit dieser politischen Erklärung FÜR die „Région Grand Est“ ihre Aussage, dass praktisch das ganze Elsass aus dieser Region aussteigen möchte, weiter aufrecht halten will, ist unklar. Zumal es den meisten Menschen in der Region inzwischen herzlich egal ist, ob sie in einer „Region Elsass“ oder der „Région Grand Est“ leben.

Die befürchtete Zerstörung der elsässischen Identität hat nicht stattgefunden. Ähnlich wie auf der anderen Rheinseite, als 1951 die Länder Württemberg, Württemberg-Hohenzollern und Baden fusioniert wurden (und da haben die Autonomisten Recht, diese Fusion fand nach einer Volksbefragung statt, die es im Elsass im Vorfeld dieser Reform nicht gegeben hat), was die regionalen Identitäten der Schwaben und der Badener eher noch stärkte, hat die „elsässische Identität“ durch die Verwaltungsreform von 2016 keinen Schaden genommen, eher im Gegenteil. Eine regionale Identität hat auch mehr mit Kultur, Sprache und gelebter Tradition zu tun als mit verwaltungstechnischen Überlegungen, was man sehr gut in der Bretagne erkennt, wo das Streben nach mehr Autonomie nicht verbissen-politisch, sondern vor allem kulturell geführt wird.

So gibt es in der Bretagne zahlreiche bretonische Buchläden, kulturelle Veranstaltungen (man denke an die „Interceltiques“!) und die bretonische Sprache spielt im täglichen Leben, der Literatur und der Musik eine große Rolle.

Dass die rund 12 % der Elsässer, denen ein Ausstieg aus der „Région Grand Est“ ein echtes Anliegen ist, die Unterzeichner dieses Schreibens an den Präsidenten inzwischen als „Verräter“ verunglimpfen, wird ihrer Sache ebenso wenig dienen wie der Vorwurf, dass diese Gebietsreform „das Elsass umbringen“ würde. Denn das ist nicht der Fall – heute ist die „elsässische Identität“ ausgepräger als zuvor. Aber das einzugestehen, wird den Autonomisten noch sehr lange schwerfallen.

2 Kommentare zu Ein herber Doppelschlag für die Elsässer Autonomisten

  1. Claus Börschig // 11. Mai 2024 um 13:00 // Antworten

    Also, halten wir mal fest: Die Pariser “Paläste der Macht” argwöhnen möglicherweise “germanische Umtriebe” im seit 100 Jahren annektierten “Reichsland Elsaß-Lothringen” und stellen diesem daher weitere “Regionen” zum Aufpassen an die Seite, damit die “Verräter” erkannt und bestraft werden. Genau das kommt etwas überspitzt rüber!

    Eigentlich wähnte ich mich in der EU des Jahres 2024 mit offenen Grenzen und freien mündigen Bürgern. Sie sind sich sicher, dass Sie in der richtigen Zeit leben?

    Wie alt sind Sie eigentlich? Wei

    • Versuchen Sie es doch mal mit Fakten statt Beleidigungen in Ihren Kommentaren. Ganz offensichtlich hatten Sie ja wesentlich engere Kontakte in der Regierungsmannschaft von François Hollande 2015 als wir und können wesentlich besser als wir vor Ort die Reaktionen auf Aktionen wie die Demonstration auf dem Place de Bordeaux in Strasbourg oder der elsässischen Abgeordneten in der Nationalversammlung beurteilen. Wir freuen uns darüber, so exzellente Kenner der französischen Politik zu unseren Lesern zu zählen, doch wäre es da angebrachter, würden Sie Ihre herausragenden Sachkenntnisse mit uns teilen. Versuchen Sie’s einfach mal – Fakten statt Beleidigungen. Sie werden sehen, dass dies den Austausch qualitativ deutlich anhebt.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste