Ein neuer Orden in Frankreich

Niemand ist vor Populismus gefeit – die französische Regierung führt einen neuen Orden ein, der diejenigen ehrt, die im falschen Moment am falschen Platz waren.

So hübsch die "Nationale Medaille der Anerkennung als Opfer des Terrorismus" auch ist - es gäbe bessere Wege, Opfern von Anschlägen zu helfen. Foto: Grande Chancellerie de la Légion d'Honneur / Wikimedia Commons / ohne Lizenz

(KL) – Der Zeitpunkt für die Veröffentlichung des Dekrets, das die Einrichtung eines neuen französischen Ordens bekanntgab, war, sagen wir mal, ziemlich unglücklich. Einen Tag vor dem schrecklichen Anschlag in Nizza gab die Regierung bekannt, dass es ab sofort eine „Nationale Medaille der Anerkennung von Opfern des Terrorismus“ geben wird. Viele Opfer der letzten Terroranschläge würden sich vermutlich mehr darüber freuen, würden ihre Entschädigungen und Anerkennungen als Schwerbehinderte schneller von der Verwaltung bearbeitet werden.

Ein Orden dafür, dass man Opfer eines Terroranschlags geworden ist? Die Idee erscheint absurd, denn Opfer eines Verbrechens zu werden, ist nicht unbedingt ein persönliches Verdienst, sondern eher ein extrem unglücklicher Zufall. Und es gäbe andere Möglichkeiten, Opfer solcher Anschläge ehrenvoll und würdig zu behandeln.

Vielleicht hätte sich die Regierung vor der Schaffung dieses neuen Ordens einmal bei Opfern von Terroranschlägen erkundigen sollen. Beispielsweise bei Djamel C., einem 36jährigen Unternehmer aus Paris, der das Unglück hatte, sich am Abend des 13. November 2015 in der Bar „Belle Equipe“ in Paris aufzuhalten. Dort traf ihn eine Maschinenpistolensalve der Terroristen, wodurch er ein Bein verlor und einen gelähmten Arm behielt.

Nachdem sich die führenden Politiker publikumswirksam an seinem Krankenhausbett hatten fotografieren lassen, begann der zweite Albtraum für Djamel C. – vergeblich versuchte er, einen Behindertenausweis zu beantragen, der überall notwendig ist, wo es wichtig ist, vor allem, wenn man wie Djamel C. auf den Rollstuhl angewiesen ist. Zweimal wurde sein Antrag auf einen Behindertenausweis abgelehnt, ohne dass ihm dafür eine Begründung genannt wurde.

Doch Djamel C., dem Orden und anderes ziemlich egal sind, gab nicht auf, sondern alarmierte die Medien, die ihrerseits die zuständige Staatssekretärin Juliette Méadel mit dem Fall konfrontierten. Diese sagte, sichtlich peinlich berührt, sofortige Hilfe zu. Die dann allerdings erst einmal nicht kam, so dass Djamel C. einen medienwirksamen Hungerstreik begann. Dann ging aber alles ziemlich schnell und der auf 5 Jahre befristete Behindertenausweis traf ein.

Es würde Opfern von Terroranschlägen sicher mehr helfen, würde die französische Verwaltung über den Schatten ihrer eigenen Langsamkeit springen, statt den Opfern einen Orden anzubieten, der mehr als seltsam ist. Orden sollten für herausragende Leistungen vergeben werden, nicht aber für die Eigenschaft als Opfer. Die Opfer haben einen Anspruch auf schnelle, unbürokratische Hilfe – statt durch einen Hindernislauf zwischen Beamten und langatmigen Verwaltungsprozessen geschickt zu werden.

So hübsch dieser Orden auch ist – das eine oder andere Opfer wird ihn eher als Hohn statt als Auszeichnung empfinden.

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