Ein politischer Prozess wie aus einer anderen Zeit

Eine Delegation bestehend aus 8 Europaabgeordneten und 6 nationalen Abgeordneten hat den Prozess gegen die katalanischen Separatistenführer besucht. Und liefert einen schockierenden Bericht ab.

La délégation européenne ayant assisté au procès contre les séparatistes catalans à Madrid. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Seit die emblematische Figur der katalanischen Separatisten, der ehemalige Regionalpräsident Kataloniens Carles Puigdemont so halbwegs in Sicherheit ist, lässt das Interesse Europas für das Schicksal der 12 in Madrid angeklagten und teilweise seit 450 Tagen in Untersuchungshaft sitzenden und von absurden Strafen bedrohten Separatistenführer nach. Doch das sollte es nicht. Denn das, was sich gerade in Madrid abspielt, ist ein politischer Prozess, der an die Zeit Francos erinnert, wie die Europaabgeordneten nach ihrem Prozessbesuch berichteten.

„Dies war der zweite Besuch bei den Angeklagten“, berichtete gestern der französische Europaabgeordnete José Bové, „beim ersten Besuch vor einigen Monaten in Barcelona war die Stimmung unter den Angeklagten noch gut, sie wollten den Prozess durchführen und wir konnten damals in Barcelona ungehindert mit ihnen sprechen.“ Doch bei diesem Besuch am 28. Februar war alles anders.

Die internationalen Prozessbeobachter sprachen von schweren Verstößen gegen Grundprinzipien des Rechtsstaats – so werden während des Prozesses die Verteidiger immer wieder unterbrochen, am Vorlegen von Beweismaterial gehindert und die Angeklagten dürfen sich nicht in ihrer katalanischen Muttersprache ausdrücken. Dazu sind die 12 Angeklagten aus unerfindlichen Gründen in einem 70 km von der Hauptstadt entfernten Gefängnis untergebracht, was für sie täglich stundenlange Fahrten in Gefangenentransportern bedeutet. Für Mark Demesmaeker, den belgischen Europaabgeordneten, ist dieser Prozess eine Farce und folgerichtig fordert die Arbeitsgruppe im Europäischen Parlament die sofortige Freilassung dieser 12 politischen Gefangenen.

Dass es sich nicht um ein rein spanisches Problem handelt, unterstrich erneut José Bové. „Einer der Gefangen, Oriol Junqueras, ist Kandidat für die kommende Europawahl. Weitere der Kandidaten könnten ebenfalls kandidieren. Wenn einer oder mehrere dieser Gefangenen ins Europaparlament gewählt werden, aber nicht am 2. Juli 2019 zur konstituierenden Sitzung erscheinen dürfen, dann stellt dies die Frage nach der rechtlichen Legitimierung des neuen Parlaments.“

Doch ganz offensichtlich ist Spaniens Regierung fest entschlossen, diesen politischen Prozess mit allen Mitteln durchzuziehen und zwar nicht etwa im Sinne des Rechts, sondern im Sinne ihres eigenen Interesses. Damit stellt sich Spanien auf eine Stufe mit Ländern wie Ungarn oder Polen, die ebenfalls für schwere Probleme mit dem Konzept des Rechtsstaats am Pranger stehen.

Und was kann man machen? José Bové zeigte die beiden möglichen Wege des Handelns für die europäischen Institutionen auf: „Die Fraktionsvorsitzenden im Europäischen Parlament könnten, ähnlich wie für Ungarn und Polen, eine Verurteilung Spaniens beschließen. Und ebenso könnte der Europäische Rat Artikel 7 der Europäischen Verträge aktivieren, da Spanien mit diesem Prozess die Grundrechte seiner Bürger verletzt. Wir haben die Instrumente, um zu reagieren, doch bislang reagiert das institutionelle Europa nicht.“

Doch der erste Schritt, mit dem Spanien die Situation entspannen könnte, wäre die Freilassung der politischen Gefangenen. Im Europa der Menschrechte dürfte es im Jahr 2019 keine politischen Gefangenen geben. Es wäre an der Zeit, dass Spanien das liefert, was alle von Madrid fordern: politische Antworten statt politischer Prozesse. Es sei denn, Madrid legt Wert darauf, die nur schlummernden Dämonen der Franco-Zeit wieder aufzuwecken.

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  1. Katalane? Draußen bleiben! | Eurojournalist(e)

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