Ein Schlag ins Gesicht der Franzosen

Ist es Absicht oder einfach nur absolute Taktlosigkeit? Die Ernennung der ehemaligen Gesundheitsministerin Agnès Buzyn zum „Ritter der Ehrenlegion“ ist ein Skandal.

Agnès Buzyn, eine hohe Auszeichnung vor ihrer Verurteilung vor Gericht? Foto: Amélie Tsaag Valren / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Beim Ausbruch der Covid-Pandemie war Agnès Buzyn französische Gesundheitsministerin. Diesen Job füllte sie so „erfolgreich“ aus, dass heute gegen sie ein Verfahren vor dem Gerichtshof der Republik (CJR) läuft, wegen „Gefährdung des Lebens Dritter“. Noch im Frühjahr 2020, kurz vor ihrem Rücktritt als Ministerin, verkündete sie vor den Kameras, dass die Pandemie auf keinen Fall Frankreich betreffen würde. Dazu kam, dass ihr Ehemann Yves Levy der Gegenspieler des ebenso umstrittenen Professors Raoult war und dieser Interessenskonflikt stellte ebenfalls ein riesiges Problem dar, speziell als die Ministerin das von Raoult propagierte Mittel Chlororquine (das seit Jahrzehnten im Handel war) kurzerhand verbot. Dass Agnès Buzyn nun zum „Ritter der Ehrenlegion“ (gibt es eigentlich den Gender-Begriff „Ritterin“?) ernannt wurde, schlägt dem Fass den Boden aus.

Laut Definition ist der Titel „Ritter der Ehrenlegion“, der noch von Napoleon eingeführt wurde, die höchste französische Auszeichnung, die für „herausragende Dienste für die Nation“ verliehen wird. Aber worin bestehen nun diese „herausragenden Dienste“ der Agnès Buzyn? Darin, dass sie die Franzosen belogen hat, als die Pandemie auch in Frankreich bereits begonnen hatte? Darin, dass sie als verantwortliche Ministerin nicht dafür gesorgt hatte, dass rechtzeitig Materialien wie Masken in ausreichender Menge bestellt wurden (dies erfolgte erst Monate später durch ihren Nachfolger Olivier Véran)? Darin, dass sie ihre Landsleute in einer falschen Sicherheit gewiegt hat, als diese sich schon längst hätten schützen müssen?

Abgesehen davon, dass die Verleihung dieses Ehrentitels lediglich diese Auszeichnung für alle anderen Empfänger entwertet, bestärkt die Regierung einmal mehr das Gefühl in der Bevölkerung, dass „die da oben“ machen können, was sie wollen, und dabei immer wieder auf die Füsse fallen. Aber wenn die Regierung ihren Landsleuten schon unbedingt auf die Füsse treten muss, dann auch richtig – zusammen mit Agnès Buzyn wurden auch alle Mitglieder des „Wissenschaftsrats“ mit dieser Auszeichnung geehrt. Dieser Rat beriet den Präsidenten Macron in der ersten Phase der Pandemie, wobei interessant war, dass ausnahmslos alle Mitglieder dieses Rats auf den Gehaltslisten der großen Pharmafirmen standen und stehen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

Ist es nun einfach eine riesige Instinktlosigkeit, Agnès Buzyn diese Ehrung angedeihen zu lassen oder handelt es sich um eine erneute Provokation der Franzosen? Es ist kaum vorstellbar, dass die französische Regierung inzwischen so weit von der Bevölkerung entfernt ist, dass sie nicht merkt, wenn sie einen derartigen Faux-Pas begeht. Oder handelt es sich um ein Signal des Präsidenten, dass es ihn schnurzegal ist, was seine Landsleute denken und dass ihn die Meinung der Franzosen nicht davon abhält, seinen treuen Vasallen alle Wohltaten der Nation zu spendieren?

Noch mal zur Erinnerung – das Verfahren, das gegen Agnès Buzyn läuft, ist alles andere als harmlos. „Gefährung des Lebens Dritter“ vor dem Gerichtshof der Republik, dem einzigen Gericht in Frankreich, das ein Verfahren gegen hohe Politiker einleiten und durchführen kann, wäre alleine schon ein Grund, diese Frau nicht auszuzeichnen. Denn ihre „herausragenden Verdienste für die Nation“ sind schlicht nicht erkennbar.

Agnès Buzyn war ein Produkt der „Macronie“. Und der Präsident mit seinen Allmachts-Phantasien belohnt und schützt eben diejenigen, die ihm treu ergeben sind, auch wenn seine Vasallen offen gegen die Interessen der Franzosen arbeiten und diesen sogar Schaden zufügen.

Die völlig überflüssige Auszeichnung einer auf ganzer Linie gescheiterten Politikerin ist ein Skandal, der Emmanuel Macron selbst bei seinen treuen Jüngern Schaden zufügen kann. Der Präsident entwertet gerade die Symbole der Republik und das zeigt deutlich seine Einstellung zu seinem Land und zu seinem Amt. Macron regiert Frankreich nicht etwa, sondern er herrscht über sein Land und sein Wille ist in seinem Selbstverständnis höher einzuschätzen als die Grundwerte der französischen Republik.

Aber ein Gutes hat diese skandalöse Auszeichnung: Noch einmal sieht jeder Franzose, dass der Präsident das Land als eine Art Privateigentum betrachtet, mit dem er tun und lassen kann, was er will. So wissen die Franzosen wenigstens bei der anstehenden Präsidentschaftswahl, mit wem sie es zu tun haben. Schade nur, dass auch die anderen Kandidaten und Kandidatinnen aus dem gleichen Holz geschnitzt sind und es den meisten bei den Wahlen nicht etwa darum geht, eine andere Politik in Frankreich zu führen, sondern lediglich darum, Kalif anstelle des Kalifen zu werden. Das Superwahljahr 2022 verheißt nichts Gutes in Frankreich…

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