Ein schlechter Start für das neue Parlament

Die erste Sitzung des neuen Europäischen Parlaments in Straßburg zeigte vor allem eines auf – die ungelösten Probleme der Europäischen Union, die man nicht mehr schönreden kann.

Tolle Show - schade, dass das Wort "Respekt" im britischen Wortschatz verloren gegangen ist. Diese Abgeordneten sind eine Peinlichkeit. Für Europa, aber vor allem für sich selbst. Foto: ScS EJ

(KL) – Das Wetter war angenehm gestern in Straßburg, die Sonne schien, ein angenehmer Wind kühlte die Temperaturen auf ein erträgliches Maß und alles stimmte, damit die konstituierende Sitzung des neuen Europäischen Parlaments ein voller Erfolg wurde. Doch zwei Zwischenfälle zeigten auf, wo die Europäische Union gerade steht – in einer Art politischem Niemandsland.

Dass sich die britischen Abgeordneten bei der Europäischen Hymne demonstrativ umdrehten, war eine geschmacklose Unverschämtheit, die allerdings niemanden so richtig überraschte. Die Truppe um den unsäglichen Nigel Farage ist nicht zum ersten Mal einfach nur peinlich, sondern diese Peinlichkeit ist das Geschäftsmodell von Nigel Farage. Immerhin, wenn die Briten so weitermachen, wird man die Provokationen der britischen Abgeordneten nicht länger hinnehmen müssen. Insofern war dieser peinliche Auftritt eine Erinnerung daran, dass wir uns mit Vollgas auf den 31. Oktober hinbewegen, dass ab diesem Zeitpunkt endgültig Schluss mit dem Hin- und Herverhandeln ist und falls es irgendjemandem entgangen sein sollte, dass Großbritannien von einer Bande hirnloser Neonationalisten regiert wird, die das Land in den Abgrund führen wollen. Aber das wusste man ja.

Ebenso problematisch ist das Thema der drei katalanischen Europaabgeordneten. Zwar hat man das Thema in den letzten Wochen aus der politischen Debatte ausgeklammert, doch wird es gelöst werden müssen. Drei demokratisch gewählte Volksvertreter, Carles Puigdemont, Toni Comin und Oriol Junqueras werden von Spanien daran gehindert, ihr Mandat anzutreten und das ist nicht nur ein undemokratischer Skandal, sondern könnte dazu führen, dass alle Entscheidungen des neuen Parlaments zu einem späteren Zeitpunkt für ungültig erklärt werden müssen, falls die europäischen Gerichte zu dem Ergebnis kommen, dass der Ausschluss der gewählten Katalanen rechtwidrig war. Auch, wenn es niemand so richtig wahrhaben möchte, so birgt diese Situation maximalen Sprengstoff.

Und so zogen gestern Tausende katalanischer Demonstranten durch die Straßen Straßburgs, es gab Rangeleien mit der Polizei, Busse und Trams mussten kurzzeitig stehenbleiben und es war, als wäre diese konstituierende Sitzung ein Zeichen dafür, wie es in Europa in dieser Legislaturperiode weitergehen wird – mit viel Stress.

Natürlich liegt es in unser aller Interesse, dass die europäischen Institutionen gut funktionieren. Nur – das tun sie nicht. Europa ist momentan ebenso verunsichert wie die Regierungen in den Mitgliedsstaaten. Alle merken, dass es nicht mehr so weitergehen kann wie bisher, doch die Reaktion Europas und der europäischen Regierungen ist ein phantasieloses „Weiter so!“.

Der Auftakt zur neuen europäischen Legislaturperiode fällt also auf einen Moment, in dem Italien die Grundlage des Seerechts und des Europäischen Humanismus durch einen dumpfen Neonationalismus ersetzt, die Briten ihrem dämlichen Abschied aus der EU entgegenblicken, ohne diesen zu organisieren, die EU drei gewählten Abgeordneten den Zutritt zum Parlament verweigert und man sich im Europa der ungefähr 27 oder 28 auf nichts mehr verständigen kann. Und all das macht gerade nicht so viel Freude auf die nächsten Jahre der europäischen Politik.

Das neue Parlament wird diese Probleme sehr schnell lösen müssen, denn mit „Aussitzen“ wird es dieses Mal nicht ausreichen. Europa braucht jetzt eine starke politische Ausrichtung, muss klare Grundregeln definieren und sich so schnell wie möglich vom alles lähmenden intergouvernementalen Format verabschieden. Sonst wird diese Legislaturperiode vielleicht die letzte dieser Institution werden.

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