Ein teurer und gefährlicher Gottesdienst

Als ob es die Cluster-Bildung in einer evangelikalen Kirche in Mulhouse nicht gegeben hätte – die Polizei in Lahr musste einen Gottesdienst der Freikirche „Biserica Maranata Lahr“ auflösen.

Sollte es einen Gott geben, so akzeptiert dieser in der Covid-Krise auch Online-Gebete... die Gefährdung seiner Mitmenschen ist auf jeden Fall ziemlich unchristlich. Foto: Pope's Worldwide Prayer Network / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Was ist nur mit diesen Freikirchen los? Denken die Gläubigen wirklich, dass die sanitären Regeln nicht für sie gelten, weil sie „Auserwählte“ sind? Am Sonntag trafen sich in Lahr rund 60 Mitglieder der überwiegend von Bulgaren und Rumänen frequentierten Freikirche „Biserica Maranata Lahr“ und hatten dabei wohl das Gefühl, dass die vermeintliche Präsenz eines Gottes besser vor SARS-CoV-2 schützt als Masken oder Abstand. Erst die Polizei konnte dem völlig verantwortungslosen Treiben ein Ende setzen.

Ein Polizeisprecher beschrieb die Szene so: „Beim Betreten der Räumlichkeiten trafen die Beamten auf eine Vielzahl Personen, von denen die meisten erst beim Erblicken der Polizei eine Mund-Nasen-Bedeckung anlegten”. Aber da war es schon zu spät – sowohl die Teilnehmer, als auch der Prediger müssen nun mit einem Bußgeld rechnen. Und angesichts der Tatsache, dass diese seltsamen Gläubigen im Grunde technisch eine versuchte Körperverletzung begangen haben, kommen sie mit diesem Bußgeld noch ziemlich glimpflich weg.

Im Gegensatz zu der Evangelikalen-Kirche „La Porte Ouverte“ in Mulhouse, konnte in Lahr niemand anführen, dass man nicht gewusst habe, was man da treibt. Damals, im Februar 2020 in Mulhouse, konnten die Verantwortlichen nicht wissen, welchem Risiko sie sich selbst und ihre rund 2000 Gläubigen aussetzten. Wenige Tage zuvor hatte die damalige Gesundheitsministerin Agnès Buzyn noch vollmundig verkündet, dass „es in Frankreich höchstens eine infizierte Person geben würde, wenn überhaupt“. 2 Millionen Tote weltweit später kann man dieses Argument nicht mehr anführen.

Aber was machen diese „falschen Heiligen“ mit dem 5. Gebot, das da lautet „Du sollst nicht töten“? Wer wissentlich das Risiko eingeht, sich selbst und andere mit einem potentiell tödlichen Virus anzustecken, begeht diese Person nicht eine Übertretung dieses 5. Gebots? Wie ist es juristisch und moralisch zu bewerten, wenn sich aus diesem Gottesdienst heraus ein neuer Cluster entwickelt, sich Menschen anstecken und eventuell sogar sterben? Muss man in Freikirchen beim Eintreten das Gehirn an der Garderobe abgeben?

Ebenso unschön ist, dass der Hinweis auf den Gottesdienst aus der Bevölkerung kam. Führt die Coronakrise jetzt auch zu einem neuen Denunziantentum? Man weiß gar nicht, worüber man sich mehr ärgern soll – die Borniertheit einiger Glaubensfanatiker oder das Denunziantentum in der „ordentlichen“ Bevölkerung. Aber ärgern wir uns ruhig ein wenig mehr über diese Freikirchen, denen offensichtlich das Leben und die Gesundheit ihrer Mitmenschen überhaupt nichts bedeuten. Daheim in den eigenen vier Wänden kann jeder glauben, was er oder sie will – in dem Moment, wo das Ausleben dieses Glaubens mit einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit einher geht, müssen die Behörden eingreifen. Das haben sie dankenswerterweise auch getan. Aber ob das die fanatischen Gläubigen zur Vernunft bringen wird, ist mehr als fraglich.

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