Ein unklares Bild am Oberrhein

Die Entwicklung der Pandemie am Oberrhein verläuft sehr unterschiedlich. Während in Baden die Zahlen deutlich sinken, sind sie im Elsass immer noch sehr hoch.

Zu viele Fragen, zu wenig Antworten... Foto: Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Jede Woche warten wir gespannt auf die Zahlen der ARS, der französischen Gesundheitsbehörde, die regelmäßig die Pandemie-Eckdaten veröffentlicht, und des RKI, das die gleiche Aufgabe in Deutschland übernimmt. Doch die Zahlen auf beiden Ufern des Rheins sind schwer zu verstehen. Während das Elsass bei einer Inzidenz von immer noch ungefähr 170 liegt (Departement Bas-Rhin 173,9 – Departement Haut-Rhin 164,3 – Eurometropole Straßburg 206,4), haben mehrere badische Landkreise inzwischen sogar die ominöse 35-Grenze unterschritten. Aber – was bedeutet das?

Frankreich hatte von Anfang an auf ziemlich strikte Maßnahmen gesetzt – mit Lockdowns, wie man sie in Deutschland bisher noch nicht erlebt hat, mit strafbewehrten Vergehen, für die eine stramme halbe Million Strafzettel verteilt wurden, doch wurde diese strikte Linie immer wieder von der Regierung selbst unterlaufen, wie beispielsweise durch die abendliche Ausgangssperre ab 18 Uhr, die zu unglaublichem Gedrängel in einem kurzen Zeitfenster in den öffentlichen Verkehrsmitteln führt – perfekt für die Ausbreitung des Virus, katastrophal für die Verhinderung sozialer Kontakte. Deutschland hatte sich dagegen für eine „Light-Lösung entschieden, was die Inzidenz-Wellenbewegung auch nicht verhindern konnte. Doch dürfte die Entwicklung der Zahlen auf der deutschen Seite, wie im letzten Frühjahr, wohl auch dem Zufall geschuldet sein. Mit „besserem Management“ hat das nichts zu tun.

Nur kann man aber auch nicht so tun, als gäbe es diese Unterschiede nicht. Wenn in Landkreisen wie Emmendingen, Freiburg, Breisgau-Hochschwarzwald und anderswo die Inzidenz unter 35 gesunken ist, dann ist das eine schöne Momentaufnahme, ein Moment des Durchatmens, aber leider auch nur der Augenblick, bevor die Zahlen nach den nächsten Lockerungen wieder anziehen.

Und im Elsass? Im Elsass funktioniert seit einem Jahr nichts. Weder scharfe Lockdowns noch hemmungslose Öffnungsorgien wie im letzten Frühsommer beim „Fest der Musik“, als sich zehntausend schwitzender Menschen dicht an dicht durch die Straßburger Innenstadt schunkelten. Ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie liegt die Inzidenz im Großraum Straßburg weiter über 200. Eine erfolgreiche Bekämpfung dieser Pandemie sieht anders aus.

Ermutigend ist, dass sich inzwischen wohl die Straßburger Stadtspitze und die Verantwortlichen in der Ortenau besser abstimmen. Das Gefühl könnte man bekommen, wenn man die dünnen Pressemitteilungen vor allem zwischen den Zeilen liest. Warum beide Seiten nicht oder nur kaum über diese von der Bevölkerung erwartete Absprache kommunizieren, ist rätselhaft. Für jeden gepflanzten Baum gibt es ausführliche Pressemitteilungen und Pressefotos, zu dem so wichtigen Thema der grenzüberschreitenden Abstimmung in der Pandemie-Bekämpfung hüllt man sich in bedeutsames Schweigen.

Wenn die Zahlen der ARS und des RKI stimmen, dann liegt an einigen Stellen am Oberrhein die Inzidenz auf der elsässischen Seite 8mal (!) höher als auf dem deutschen Rheinufer. Das ist eine Zahl, zu der man gerne eine Erklärung, Stellungnahme oder Idee hören würde – Fehlanzeige. Stattdessen feiert sich der eine oder andere Politiker dafür, wie unendlich gut sich doch die europäische Zusammenarbeit in dieser Krise anlässt – entweder pfeifen diese Politiker im Keller oder sie lancieren wissentlich „Fake News“.

Die Politik muss nach einem Jahr begreifen, dass die mental erschöpfte Bevölkerung mehr braucht als Zahlenwerke, die ohnehin niemand mehr liest, geschweige denn, versteht. Es reicht nicht, uns diesen Zahlensalat um die Ohren zu feuern, ohne dass uns mitgeteilt wird, was unternommen wird, um gemeinsam und über Grenzen hinweg gegen diese Pandemie zu kämpfen.

Natürlich stellen sich die Menschen Fragen. Wenn die Inzidenz-Unterschiede so riesig sind, warum setzt man dann alles daran, dass täglich 20.000 Menschen zwischen Unterregionen mit völlig unterschiedlichen Inzidenzen als Berufspendler hin- und herfahren – ist das nicht ein sicheres Mittel, um das Virus ebenfalls täglich hin- und herzutransportieren? Wie sieht es mit der gemeinsamen Nutzung von medizinischen Ressourcen aus? Welche Krankenhäuser kooperieren? Von wo nach wo werden Patienten verlegt? Und warum bestehen die wenigen Stellungnahmen überwiegend aus Slogans und Allgemeinplätzen?

Seit einem Jahr sind zu viele Fragen nicht beantwortet worden, als dass man einfach so weitermachen könnte. Verschwörungstheorien sind mittlerweile in unseren Alltag eingezogen und die Argumente, mit denen man diese Theorien widerlegen könnte, werden seitens der Politik nicht geliefert. Nein, diese Pandemie ist noch lange, lange nicht im Griff und es wäre einfacher, die Menschen bei der Stange zu halten, würde man mit ihnen so kommunizieren, dass sie die Situation besser verstehen können. Aber darauf müssen wir vermutlich genau so lange warten wie auf das Ende der Pandemie…

1 Kommentar zu Ein unklares Bild am Oberrhein

  1. Birgit Scheckel-Gutheins // 15. Februar 2021 um 14:42 // Antworten

    Ich muss jeden Tag als Pendler von Breisach nach Kaysersberg.
    Habe ein kl Laden dort mit Vorort hergestelltem Gebäck usw.
    Bin an der Info sehr interessiert. Merci

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