Eine erfreuliche Momentaufnahme

Die Inzidenzzahlen sinken, die „Notbremse“ wird gelockert und die Impfkampagne läuft auf Hochtouren. Doch leider ist das alles nur eine Momentaufnahme.

Die Impfstrategie und der Rest der sanitären Massnahmen sorgen für etwas Erleichterung. Foto: PantheraLeo1359531 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Jens Spahn drückte gestern ein wenig auf die Spaßbremse, als er für Zurückhaltung bei den Öffnungs-Maßnahmen warb, insbesondere, was Reisen anbelangt. Und dennoch, die Entwicklung der Pandemie-Lage in Deutschland ist erfreulich und viele richten den Blick auf die nächsten Ferien und die Möglichkeit, wieder zu reisen und „normale“ Dinge zu tun. Aber man sollte nicht vergessen, dass wir es mit einer Pandemie zu tun haben, die weltweit grassiert und sich seit 15 Monaten immer wieder in neuen Varianten den Weg dorthin bahnt, wo es gerade etwas besser aussah.

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) sinkt auch die Zahl der Neuinfektionen und inzwischen sind fast die Hälfte der beim RKI ausgewiesenen deutschen Regionen unterhalb der Inzidenz von 100 und können demnach Lockerungsschritte durchführen. Was die Lektüre der Situation erschwert, sind die regionalen Unterschiede. So liegt die Inzidenz im am schwersten betroffenen Bundesland Thüringen immer noch bei 177,2, während Schleswig-Holstein eine Inzidenz von 50,8 vermeldet. Doch ist es wichtig zu verstehen, dass sich dort, wo die Zahlen heute niedrig sind, die Situation blitzartig ins Gegenteil verkehren kann – eine Pandemie ist dann unter Kontrolle, wenn sie überall auf der Welt unter Kontrolle ist und davon sind wir leider noch weit entfernt.

Nichtsdestotrotz scheint der Mix aus Maßnahmen insgesamt in Deutschland zu greifen. Es sieht so aus, als würden die Impfungen zumindest dazu führen, dass die geimpften Personen fast keine schweren Verläufe erleben. All das ist positiv, doch eben leider nur eine Momentaufnahme. Die anstehenden Lockerungen, aber auch die Perspektive von Urlaubsreisen, künden bereits heute die nächste „Welle“ an und so lange es keine wirkungsvolle Strategie gibt, mit der die Bevölkerung weltweit geimpft und getestet werden kann, wird es weiterhin Bilder wie aus Indien oder Brasilien geben. Und das, was heute in Indien oder Brasilien passiert, kann morgen schon wieder bei uns der Fall sein.

Die kurzzeitige Verbesserung der Lage in vielen europäischen Ländern ist eine Erleichterung für das medizinische Personal und die Krankenhäuser, die wenigstens kurzfristig durchatmen können.

Wie langfristig diese ersten, zarten Erfolge im Kampf gegen die Pandemie sein werden, wird sich erst in einigen Wochen oder Monaten zeigen und die Nachhaltigkeit dieser Erfolge hängt von der Ernsthaftigkeit ab, mit der bestimmte sanitäre Maßnahmen auch in den kommenden Wochen und Monaten eingehalten werden.

Es gibt keinerlei Veranlassung, jetzt die Zügel schleifen zu lassen und den Menschen zu suggerieren, dass der Albtraum praktisch vorbei sei. Das ist er nämlich nicht und wenn wir jetzt nicht aufpassen, organisieren wir bereits die nächsten Wellen, die uns wieder vor massive Probleme stellen werden.

Sobald die gebesserte Situation in Deutschland etwas stabilisiert ist, wird man sich ohne Zeitverluste darum kümmern müssen, wie diese Strategien dorthin exportiert werden können, wo die Infrastrukturen fehlen und die Ausbreitung des Virus daher besonders gefährlich ist – wie beispielsweise in Indien oder auch in Afrika. Die Welt muss, will sie denn dieses Virus in den Griff bekommen, global denken und handeln. Sich auf die Position „bei uns ist jetzt alles in Ordnung“ zurückzuziehen, ist das sicherste Mittel, schon bald wieder die nächsten Wellen managen zu müssen.

1 Kommentar zu Eine erfreuliche Momentaufnahme

  1. Ich denke, es ist richtig, dass vorsichtig gelockert wird und nicht gleich alles auf einmal öffnet. Wichtig wäre mir aber, dass die Politik einen konkreten Fahrplan vorlegt, in welchen Schritten die Öffnung passiert. Viele Unternehmen können sich so besser darauf einstellen. Ich wünsche mir hier einfach mehr Transparenz!

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