Eine Halbzeit hat gereicht…

Warum der Autor dieses Artikels am Sonntag das Stadion beim Spiel Racing Club de Strasbourg gegen Olympique Marseille schon zur Halbzeit verlassen hat…

Stimmungsvoll in die Weihnachtszeit. Und wer das Virus noch nicht hatte, kann es sich hier abholen. Oder auf dem Weihnachtsmarkt. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Der Autor dieser Zeilen gehörte am Sonntag zu den Glücklichen, die ein Ticket für das Spitzenspiel der 1. französischen Liga zwischen dem Tabellen-Sechsten Racing Club de Strasbourg gegen den Dritten Olympique Marseille ergattert hatten. Doch zur Halbzeit verließ er das Stadion. Warum nur? Es stand noch 0:0…

25.000 Menschen, dicht gedrängt im stimmungsvollen Stadion, Wunderkerzen, blauen Weihnachtsmützen, tolle Atmosphäre. Natürlich hatte nach 3 Minuten niemand mehr eine Maske auf, es wurde gesungen, gebrüllt und gefeiert. An den Bier- und Würstchenständen war Hochbetrieb und auch, wenn am Eingang eine gewissenhafte Kontrolle der Gesundheitspässe stattfand, war dennoch klar, dass ein Prozentsatz X der Stadionbesucher das Virus dabei hatte. Entweder, weil die Stadionbesucher trotz Impfung angesteckt waren, oder weil sie einen falschen Impfpass benutzten.

Nur wenige Kilometer weiter, auf der anderen Rheinseite, ist alles das heute verboten, was im Elsass und in Frankreich erlaubt ist. So sind bei Sportveranstaltungen maximal 750 Zuschauer im Stadion erlaubt und in Baden-Württemberg wurden alle Weihnachtsmärkte abgesagt, während die Weihnachtsmärkte im Elsass Hochbetrieb haben. Hier im Elsass werden die sanitären Vorschriften von vielen Besuchern als „optional“ betrachtet. Viele Besucher tragen gar keine Maske oder diese unter der Nase oder dem Kinn, die Vorschrift, dass Speisen und Getränke nur in speziell ausgewiesenen Zonen erlaubt ist, interessiert kaum jemanden und die Polizei beschränkt sich darauf, durch die Massen zu spazieren und geflissentlich wegzuschauen.

Das Ergebnis: Frankreich gehört heute mit seinem Versuch, so etwas wie „Normalität“ zu organisieren, zu den am härtesten von der Pandemie betroffenen Ländern, mit einer landesweiten Inzidenz von 509,5, während die beiden früheren elsässischen Departements Bas-Rhin und Haut-Rhin jeweils eine Inzidenz von über 600 aufweisen.

Schade, dass die französische Regierung seit Wochen nichts anderes zu tun hat, als bei Presseterminen zu paradieren und sich selbst dafür zu beglückwünschen, dass man die Krise so viel besser managt als die europäischen Nachbarn. Vor lauter Glückseligkeit, dass man so viel besser mit der Situation umgeht als andere, dank der unglaublichen Genialität der Regierenden, hat man nicht mitbekommen, wie sich die „5. Welle“ Frankreich näherte und völlig ungehindert ins Elsass schwappen konnte, wo man sich momentan in erster Linie für den Weihnachtsmarkt, volle Fußballstadien und andere Spreader-Veranstaltungen interessiert.

So ganz unbemerkt kann diese Entwicklung aber auch in Paris nicht geblieben sein. Doch hat man in Paris als Priorität für die nächsten 14 Tage ausgegeben, dass „die Franzosen ein normales Weihnachtsfest feiern“ können. Dass damit die nächsten Lockdowns vorbereitet werden, scheint momentan niemanden zu interessieren.

Der Versuch, „Normalität“ in einer völlig unnormalen Situation vorzugaukeln, in der die elsässischen Krankenhäuser im Notbetrieb arbeiten („Plan Blanc“), ist verantwortungslos. Diese „5. Welle“ hätte in Frankreich verhindert werden können, doch das hätte vorausgesetzt, dass man sich von der Kommunikation „wir sind die Besten, die Schlausten, die Genialsten“ verabschiedet.

Wenn dann gegen Ende des Monats oder Anfang Januar der nächste Lockdown verhängt wird, ist auch schon klar, wen man dafür verantwortlich machen wird. Diejenigen, die zumeist schon gar nicht mehr am öffentlichen Leben teilhaben können und die Bevölkerung insgesamt. Das zumindest wird die Erklärung sein, mit der sich Macron, Castex und Véran aus der Affäre ziehen werden.

Ach ja, und auf die Idee, sich bei der Bekämpfung dieser Pandemie zusammenzutun und sie europäisch zu bekämpfen, kommt immer noch niemand. In Wahlkampfzeiten macht es halt deutlich mehr Spaß, den Menschen vorzumachen, man würde mit göttlichen Eingebungen arbeiten. Nur ist das leider nicht der Fall. Und am Ende hat der Racing Club de Strasbourg dann doch noch mit 0:2 gegen Marseille verloren. Daheimbleiben wäre gestern Abend vermutlich die bessere Option gewesen…

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