Eine historische Demonstration

Zum allerletzten Mal demonstrierte „Stop Fessenheim“ für die Abschaltung des ältesten französischen Atommeilers in Fessenheim. Und nur wenige Stunden später ging er vom Netz...

Mit diesem Rettungsring wurde gestern die Atomkraft am Oberrhein symbolisch beerdigt... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die „Grüne Woche“ findet dieses Jahr wohl nicht in Berlin statt, sondern gerade bei uns am Oberrhein. Nur einen Tag, nachdem die Grüne Jeanne Barseghian zur neuen Oberbürgermeisterin von Straßburg gewählt worden war, wurde gestern der zweite Reaktor der Atomkraftwerks Fessenheim abgeschaltet und damit gehört eine der größten Umweltgefährdungen der Region endlich der Vergangenheit an. Die Demonstration gestern rund um die Rheinbrücke zwischen Breisach und Neuf-Brisach hatte insofern eher etwas Symbolisches, doch wer will es den Atomkraft-Gegnern verübeln, dass sie nach 480 Mahnwachen in den letzten 9 Jahren nun auch ein wenig feiern?

Nach einer Pressekonferenz auf der MS Napoleon trafen sich deutsche und französische Atomkraft-Gegner mitten auf der Rheinbrücke. Die Polizei beider Länder sperrte dazu eine Fahrbahn, damit diese Demonstration auch stattfinden konnte und André Hatz, Präsident von „Stop Fessenheim“, warf einen Rettungsring in den Rhein, um damit die Atomkraft am Oberrhein symbolisch und nautisch zu beerdigen. Natürlich war dieser Rettungsring an einer langen Leine befestigt und wurde hinterher wieder aus dem Wasser gezogen, denn Umweltaktivisten werfen nicht einfach Plastik in den Rhein…

Während der Demonstration wurde durch AFP bekannt, dass der Abschaltungsprozess in Fessenheim bereits eingeleitet wurde und damit Fessenheim auf dem Weg zur endgültigen Abschaltung war, wofür „Stop Fessenheim“, „TRAS“ und andere rund vier Jahrzehnte gekämpft hatten. Gegen Mitternacht erreichte die Hitze der Brennstäbe dann den Wert von 8 %, bei dem sich der Reaktor selbst automatisch vom Netz nahm.

Was hatte es in diesen vielen Jahren für Ärger um Fessenheim gegeben! Um die Betriebserlaubnis immer wieder um jeweils weitere 10 Jahre verlängern zu können, hebelten französische Gerichte sogar Naturgesetze aus, indem sie behaupteten, der Oberrhein wäre keine seismische Zone (rund 50 Erdstöße pro Jahr sprechen eine andere Sprache und im angehenden Mittelalter wurde die Stadt Basel von einem riesigen Erdbeben komplett zerstört…) und außerdem sei Fessenheim auch nicht durch Hochwasser gefährdet. Und das, obwohl Fessenheim unterhalb des Deichscheitels des Rheins liegt und praktisch jedes zweite Jahr Hochwasser eintreten, wenn der Schnee schmilzt und es viel regnet – in einem Jahr läuft das Wasser aus den Alpen in die Elbe und richtet entlang dieses Flusses große Schäden an, in den anderen Jahren läuft das Wasser in den Rhein und die Hochwasser finden eben am Rhein statt. Das sahen die französischen Gerichte allerdings anders und verlängerten jedes Mal wieder die Betriebserlaubnis. Währenddessen schaute die Bevölkerung am Oberrhein staunend zu, wie bei großer Hitze die Reaktorkuppel mit Feuerwehrschläuchen abgespritzt wurde, um eine Überhitzung im Reaktorinneren zu verhindern. Unter High-Tech hatten wir uns damals naiv noch etwas anderes vorgestellt.

In Fessenheim selbst tat man gestern das, was man seit Monaten macht – es wurde gejammert. Die örtliche Abteilung der Gewerkschaft CGT erklärte, die Schließung des ältesten französischen Atommeilers sei „unmenschlich“ und die Lokalpolitik klagte einmal mehr über ihr bitteres Schicksal. Jahrelang hatte man in Fessenheim so getan, als würde das Atomkraftwerk ewig laufen, obwohl der damalige Präsident François Hollande bereits 2012 die kommende Schließung verkündete. Irgendwie hat man die Option, dass dieses Kraftwerk irgendwann einmal geschlossen werden wird, nicht ernst genommen. Dass man jetzt erst erkennt, dass diese Abschaltung wirklich stattfindet, zeigt nicht etwa, dass der Ausstieg aus der Atomkraft „unmenschlich“ ist, sondern dass die Verantwortlichen vor Ort in den letzten Jahren geschlafen haben, statt die sehr großzügigen Budgets in die Zukunftsplanung zu investieren. Dass man eine solche verantwortungsvolle Planung schlicht und ergreifend nicht durchgeführt hat, ist dann wohl eher das Problem der reichen Gemeinde Fessenheim, die für die nächsten drei Jahre genau die Summe vom Staat als „Trostpflaster“ erhält, die ansonsten Betreiber EdF als Steuern gezahlt hätte. Aber auch das ist in Fessenheim erneut ein Grund zum Jammern, denn von diesen Geldern zahlt man einen Teil in einen regionalen Solidaritätsfonds, der auch anderen Gemeinden in der Regio zugute kommt. Langsam wird dieses Gejammer wirklich peinlich…

So – und wenn Sie das hier lesen, dann ist Fessenheim Geschichte. Halt, noch nicht ganz. Denn jetzt muss diese Industrieruine noch zurückgebaut werden (geschätzte Dauer der Arbeiten 15 Jahre) und dann wäre da noch eine Kleinigkeit – der radioaktive Abfall aus dem Atomkraftwerk muss noch sicher (und gerne auch kostengünstig) für die nächsten rund 25.000 Jahre endgelagert werden. Leider gibt es dafür noch keine Technologie. Aber immerhin – Fessenheim kann uns nicht mehr um die Ohren fliegen wie Tschernobyl oder Fukushima und damit den Oberrhein auf Jahrtausende unbewohnbar machen. Champagner!

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