Eine höchst seltsame „Umfrage“

Wochenlang wurde für viel Geld die Werbetrommel für die Teilnahme an einer „Umfrage“ gerührt, bei der die Teilnehmer erklären konnten, ob das Elsass aus der Region Grand Est aussteigen soll. Jetzt liegt das Ergebnis vor.

Die Werbeplakate für diese "Umfrage" fand man an den unmöglichsten Orten... Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Hatte irgendjemand mit einem anderen Ergebnis dieser „Umfrage“ gerechnet? Mehrere Wochen lang wurden die Elsässer und Elsässerinnen eingeladen, sich an der „Umfrage“ zu beteiligen, bei der sie angeben konnten, ob sie für den Ausstieg aus oder den Verbleib des Elsass in der ostfranzösischen Region Grand Est sind. Nach Angaben des Präsidenten der „Collectivité européenne d’Alsace“ (CeA) Frédéric Bierry beteiligten sich 168.456 Personen an dieser „Umfrage“ und 92,4 % der Teilnehmer sprachen sich für den Ausstieg aus der Region Grand Est aus. Doch da diese „Umfrage“ keinerlei rechtliche Bedeutung hat, stellt sich nun die Frage: Und jetzt?

Von 1,89 Millionen Einwohnern des Elsass haben sich also nicht einmal 10 % an dieser „Umfrage“ beteiligt, was im Umkehrschluss bedeutet, dass es 90 % der Menschen im Elsass inzwischen egal ist, ob sie in der Region Grand Est oder in der Region Alsace leben. Diese 90 % erwarten im Grunde von den bestehenden Körperschaften, dass diese einen guten Job für das Elsass und Ostfrankreich machen und die ewige Frage nach der Eigenständigkeit des Elsass interessiert sie nicht sonderlich. Dass sich nun faktisch weniger als 10 % der Menschen im Elsass für das Ausscheiden aus der Region Grand Est ausgesprochen haben, ist weder ein Erdrutsch, noch eine Sensation und vor allem, mit dieser „Umfrage“ lässt sich nichts oder nicht viel anfangen. Auch, wenn die Verfechter dieser „Umfrage“ heute argumentieren, dass ja „nur“ 1,3 Millionen Elsässer auf den Wählerlisten eingetragen sind, was bedeuten würde, dass sich ganze 12 % der Bevölkerung an dieser „Umfrage“ beteiligt hätten. Wieso das ein Grund zum Jubeln sein soll, ist wohl auch nur den hartgesottenen Verfechtern dieser „Umfrage“ nachvollziehbar. Aber jeder liest die Zahlen so, wie sie ins Konzept passen. Fakt ist aber auch, dass sich 88 % der in den Wählerlisten eingetragenen Elsässer NICHT für den Ausstieg aus der region Grand Est ausgesprochen haben.

Wochenlang konnten die Elsässer TV-Spots, Radio-Spots, großflächige Anzeigen in der Tagespresse, Stände und selbst Plakate an den unwahrscheinlichsten Stellen bewundern, in denen sie aufgefordert wurden, sich an dieser Abstimmung zu beteiligen. Ein Hauch von Vor-Brexit lag über dem Elsass, die sozialen Netzwerke sprudelten über vor Aufforderungen, sich doch an dieser so unendlich wichtigen Abstimmung zu beteiligen. Angesichts dieser unglaublichen Kommunikation ist die Beteiligung von um die 10 % (je nach Rechenart) eigentlich ein Flopp, denn die Aussagekraft dieses Ergebnisses geht kaum über den Satz „viele Elsässer hätten gerne, dass das Elsass die Region Grand Est verlässt“ hinaus. Abgesehen davon, dass dies bereits durch frühere, deutlich kostengünstigere Umfragen bekannt war, bringt diese „Umfrage“, die präsentiert wurde wie ein „Referendum“ – nichts.

Was will die CeA nun mit dieser „Umfrage“ anfangen? Nach Paris ziehen und dort erklären, dass rund 9 oder 10 % der Elsässer gerne aus der Region Grand Est aussteigen würden? Es gibt kostengünstigere Wege, sich in Paris lächerlich zu machen. Neue Eingaben formulieren, um offiziell die Rücknahme der Gebietsreform zu verlangen? Weil sich 9 oder 10 % der Elsässer für diesen Ausstieg ausgesprochen haben?

Dass die ohne Konsultation der Bevölkerung durchgezogene Gebietsreform ziemlicher Quatsch ist und eine ostfranzösische Region geschaffen wurde, die vom Großraum Paris bis an die deutsche und schweizerische Grenze reicht, ist klar. Doch kann man nun auch nicht die nächsten Jahre die eigentlichen Aufgaben der CeA vernachlässigen, um weiter gegen die Pariser Windmühlen zu kämpfen. Die CeA, die insbesondere im Bereich Soziales einen guten Job macht, sollte sich auf ihre Arbeit konzentrieren, statt Geld und Energie für solche „Umfragen“ auszugeben, mit deren Ergebnis niemand etwas anfangen kann.

Bei der Präsentation der Ergebnisse zeigten sich die Verantwortlichen hochzufrieden. Aber womit eigentlich? Diese „Umfrage“ lässt das Elsass genau an dem Punkt, wo es auch vor ihr stand. Als Teilregion der Kunstregion „Grand Est“. War das den Aufwand wirklich wert?

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