Eine Ohrfeige für das „Europa der Finanzmärkte“

Die linke Partei „Syriza“ mit ihrem charismatischen Chef Alexis Tsipras gewinnt haushoch die Wahlen in Griechenland – trotz aller Drohungen aus Berlin und Brüssel.

Der Chef der "Syriza" Alexis Tsipras beschert dem "Europa der Finanzmärkte" ab sofort schlaflose Nächte. Foto: FrangiscoDer / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Wird Griechenland der Ausgangspunkt für eine neue, europäische Linke? Diesen Eindruck könnte man nach dem Plebiszit der Griechen für die „Syriza“ am Sonntag bekommen. Statt die immer gleichen Samaras oder Papandreou zu wählen, haben sich die Griechen entschlossen, den letzten verbliebenen Hoffnungsträger der griechischen Politik zu wählen. Und das, obwohl Brüssel und Berlin in geradezu unzulässiger Weise versucht hatten, die Griechen davon zu überzeugen, dass es viel besser sei, genau die korrupten Formationen wieder zu wählen, die Griechenland in die Krise gestürzt haben.

Noch werden Stimmen ausgezählt, doch deutet alles darauf hin, als könne die linke „Syriza“ ohne Koalitionspartner regieren. Nach dem griechischen Wahlrecht erhält die stärkste Partei, und das ist ohne jeden Zweifel die „Syriza“ mit zu 39 % der Stimmen, einen „Bonus“ von 50 Parlamentssitzen – eine Alleinregierung scheint möglich zu sein. Für Tsipras Gegenspieler, den bisherigen Amtsinhaber Samaras, ist dies eine offene Ohrfeige. Die Griechen wollten einfach keine Regierung mehr, die ihre eigene Bevölkerung den Interessen in- und ausländischer Banken und korrupter Politiker opfert. Für Europa ist dieses Wahlergebnis ein Paukenschlag.

Denn Griechenland könnte Schule machen. In einem Land, in dem es keine Sozialleistungen wie in anderen europäischen Ländern gibt, wo man Medikamente und ärztliche Betreuung im Regelfall nur noch gegen Bargeld erhält, wo Schulkinder systematisch ohne Essen in die Schule kommen, dafür aber die Reichsten nach wie vor keine Steuern zahlen, sondern dafür lieber korrupte Beamte schmieren, wird sich nun vieles ändern.

Die Merkel’sche Sparpolitik hat in Griechenland ausgedient, was am Wahlabend dann auch zahlreiche konservative Politiker bitter bejammerten. Ein Volk lehnt sich gegen seine Aushungerung auf und wagt es, für diejenigen zu stimmen, die versprochen haben, die Reichen zur Mitwirkung zu verpflichten und Sozialleistungen einzuführen, die den Menschen ein würdevolles Leben ermöglichen? Skandal! Statt einfach brav und stumm zu verhungern, damit die „Finanzmärkte“ weiter fette Gewinne machen können, stimmen die Menschen links? Skandal! Statt dankbar zu sein, dass die griechischen Reeder, Großindustriellen und Politiker ihr im Ausland geparktes Geld genießen, wollen die Menschen nicht mehr zusehen, wie die ganz Gesellschaft zusammenbricht? Skandal!

Für Angela Merkel und Jean-Claude Juncker brechen nun schwierige Zeiten an. Alexis Tsipras hat angekündigt, sofort mit den europäischen Gläubigern Verhandlungen über einen Schuldenerlass aufnehmen zu wollen und sich dafür stark zu machen, dass Griechenland im Euro bleibt und das griechische Volk trotzdem nicht verhungern muss. Was speziell Jean-Claude Juncker, der Galionsfigur des staatlich autorisierten Steuerbetrugs richtig gegen den Strich gehen muss. Erleben wir gerade die Götterdämmerung des korrupten Brüsseler Europas?

Doch worüber wundern sich eigentlich Europas Konservative? Ihre politischen Freunde in Griechenland haben sich brav an das Diktat der Finanzmärkte gehalten und dabei in Kauf genommen, dass die eigene Bevölkerung vor die Hunde geht. Kein Wunder, dass die Griechen nun die Nase voll haben und für diejenigen gestimmt haben, die mit der Korruption aufräumen und dem Elend der Menschen ein Ende setzen wollen. Denn in einem Land, in dem zwei Drittel der Jugendlichen arbeits- und perspektivlos sind, kann man nicht von den Menschen erwarten, dass sie weiterhin für diejenigen stimmen, die ihnen die Suppe eingebrockt haben. Und dieses Beispiel könnte Schule machen.

Die europäischen Institutionen werden sich auf grundsätzliche Fragen einstellen müssen. Ob Merkel, Juncker und Co. es wollen oder nicht, sie werden sich mit der generellen Orientierung Europas beschäftigen müssen. Griechenland aus der Euro-Zone werfen können sie nicht, das Land am ausgestreckten Arm verhungern lassen, das können sie auch nicht. Was zwangsläufig zu der Frage führt, ob Europa wirklich nur der Erfüllungsgehilfe des Großkapitals ist oder am Ende doch dafür Sorge tragen sollte, dass die 500 Millionen Europäerinnen und Europäer ein menschenwürdiges Leben führen können.

Auch, wenn jetzt die Konservativen in Europa das Ende der westlichen Zivilisation an die Wand malen, weil eine linke Partei das Ruder in Athen übernommen hat, so sei doch die Frage gestattet, was „Syriza“ eigentlich schlechter machen kann als diejenigen, die bisher am Ruder waren?

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