Eine schrecklich nette Familie…

Das Feuilleton, das seit Monaten die Gemüter erhitzt, geht munter weiter. Trotz Verurteilungen verschwinden die Balkanys immer noch nicht von den Titelseiten.

Im hübschen Levallois-Perret findet man Geldwäsche sooo schlimm nun auch nicht... Foto: Tonyabielhessen / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Nach einem jahrelang durch jeden nur denkbaren juristischen Handgriff in die Länge gezogenen Prozess waren vor einigen Wochen die Eheleute Balkany zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Steuerhinterziehung und Geldwäsche in einem besonders schweren Fall hatten dem Bürgermeister des Pariser Vororts Levallois-Perret und seine Gemahlin, ihres Zeichens stellvertretende Bürgermeisterin, hinter Gitter gebracht.

Nein, halt, hinter Gitter kam erstmal nur der Bürgermeister Patrick Balkany, der noch im Gerichtssaal verhaftet wurde. Seine Frau Isabelle wurde als zu krank befunden, um ins Gefängnis zu gehen, sie erhielt Haftverschonung. Was für ein Glück für sie, dass sie zwar zu krank für ihre Inhaftierung, aber noch gerade gesund genug zur Übernahme der Amtsgeschäfte des Herren Gemahls ist. Seit der Inhaftierung von Patrick Balkany hat sie die Amtsgeschäfte im Rathaus von Levallois-Perret übernommen.

Frankreichs vox populi zeigte sich trotzdem zufrieden. Endlich hatte es mal einen Großkopferten erwischt. Trotz aller Topanwälte und des in-die-Länge-Ziehens des Verfahrens. Über die Haftverschonung von Isabelle Balkany wurde zwar laut geschimpft, aber das Gericht hatte nun mal entschieden. Auf jeden Fall war weitgehend der Gerechtigkeit genüge getan, die Justiz hatte bewiesen, dass sie eben keine „Justiz der Reichen“ ist, sondern auch gegen Amts- und Würdenträger durchgreifen kann. Zumindest gegen einen von beiden.

Ganz Frankreich? Nein, ein kleiner Pariser Vorort, in dem es sich recht angenehm leben lässt, war von diesem Urteil empört – die Bürger von Levallois-Perret. Sie wollen ihren Bürgermeister wiederhaben und die Lappalien, für die er verurteilt wurde, die betrachtet man in Levallois-Perret als, sagen wir mal, Kavaliersdelikte.

Nun fand die Haftprüfung für Patrick Balkany statt, da er gegen das Urteil noch in der höchsten Instanz Berufung einlegen kann, was er auch tun wird. Das Appellationsgericht setzte für eine Haftverschonung bis zur letztinstanzlichen Verhandlung eine Kaution von 500.000 € fest. Eine unglückliche Entscheidung, mit der niemand so richtig gut leben kann. Zum einen ist die Haftverschonung unter den gegebenen Umständen ein Zugeständnis (hohe Fluchtgefahr ins Ausland, Höhe der zu erwartenden und zu bestätigenden Strafe), das man einen „normal Sterblichen“ kaum einräumen würde. Frankreich murrt. Für Patrick Balkany ist das Urteil auch nicht so richtig toll, denn er hat keine 500.000 € mehr und angesichts des Umstands, dass die Eheleute Balkany in absehbarer Zeit ziemlich sicher für mehrere Jahre im Gefängnis müssen und im Rentenalter sind, wird ihnen auch niemand das Geld leihen, da sie es nicht zurückzahlen können.

Doch da zeigt sich, was wahre Liebe ist – die Bürger von Levallois-Perret haben eine Sammlung gestartet, damit diese halbe Million zusammenkommt. Aber – diese Sammlung ist nicht rechtens, doch mit so etwas nimmt man es in Levallois-Perret wohl nicht so genau. Erstaunlicherweise steht das Verbot dieser Sammlung im Gesetz über die Pressefreiheit aus dem Jahr 1881. Dessen Artikel 40 besagt, dass es „verboten ist, Subskriptionen zu eröffnen oder öffentlich bekannt zu machen, deren Zweck es ist, Strafen, [Verfahrens-]-Kosten und Entschädigungen im Zusammenhang mit gerichtlichen Verurteilungen zu zahlen. Zuwiderhandlungen werden mit sechs Monaten Gefängnis und 45.000 € Geldstrafe geahndet.“ Aber egal – es darf nicht gesammelt werden. Das allerdings sieht Balkany-Anwalt Ian Knafou ganz anders. Für ihn handelt es sich bei einer Kaution “nicht um Verfahrenskosten, sondern um eine Modalität der Haftkontrolle, wie beispielsweise auch Hausarrest, die ausgesprochen wird, während eine Berufung läuft und keine endgültige Verurteilung vorliegt.“

Man darf damit rechnen, dass die Balkanys und ihre Streiche noch recht lange auf den Titelseiten der französischen Zeitungen erscheinen. Und bevor das ganze Verfahren abgeschlossen ist, bleibt jetzt schon ein schales Geschmäckle…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste