Eine verpasste Chance?

Der Bundestag lehnt mit großer Mehrheit die „Widerspruchslösung“ für die Organspende ab. Stattdessen gibt es die „Erweiterte Zustimmung“. Ändern wird sich nicht viel.

Ob nun mehr Menschen ihren Organspender-Ausweis ausfüllen, muss bezweifelt werden. Foto: Raphael Markert / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Organspende ist ein schwieriges, von vielen Ängsten besetztes Thema. Ein Thema, das man theoretisch, aber auch praktisch diskutieren kann. Theoretisch wird die Organspende von all denjenigen diskutiert, die nicht selbst auf ein Spenderorgan warten. Praktisch wird es von den rund 9000 Patienten in Deutschland diskutiert, deren Weiterleben von einem Spenderorgan abhängt. So eine Situation ändert die Perspektive.

In Deutschland gibt es weniger als 1000 Organspender. Das reicht natürlich bei weitem nicht aus, um den 9000 Patienten, die auf ein Spenderherz, eine Niere oder eine Leber warten, echte Hoffnung zu machen. Doch die Frage, ob man nach seinem Ableben seine Organe spendet, ist schwer zu beantworten. Bereits die Definition, ab welchem Zeitpunkt ein Mensch als „tot“ gilt, wird kontrovers diskutiert. Ist der Zeitpunkt der Entnahme eines Organs der „Hirntod“ oder der „Herztod“? Was ist, wenn ein Organ zu einem Zeitpunkt entnommen wird, zu dem ein Patient eventuell noch einmal hätte zurückkommen können? Wie kann man sicherstellen, dass ein entnommenes Organ nicht in einen kriminellen Kreislauf gerät?

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (SPD) waren tatsächlich einmal einer Meinung – beide wollten die „Widerspruchslösung“, die jeden Bundesbürger automatisch zum Organspender gemacht hätte, es sei denn, man erklärt explizit seinen Widerspruch gegen die Organspende. Doch dazu wird es nicht kommen, stattdessen nahm der Bundestag den Vorschlag der Grünen-Chefin Anna-Lena Baerbock an, die „Erweiterte Zustimmung“, die alles beim Alten belässt, allerdings intensivere Informationen zum Thema vorsieht, beim Einwohnermeldeamt, beim Arztbesuch, bei anderen Gelegenheiten. Dazu soll es ein EDV-gestütztes Zentralregister geben, in dem man eintragen kann, ob man Organspender sein will oder nicht. Nur – diese „Lösung“ wird nicht viel an der aktuellen Situation ändern. Es wird auch weiterhin nicht genügend Spenderorgane für die vielen Patienten geben, deren Warten eine Tortur ist.

Die Unversehrtheit des Körpers, religiöse Überlegungen, die Angst, zu früh von den Maschinen genommen zu werden – an all diesen Ängsten und Fragen wird sich nicht viel ändern. Und leider wird sich auch nichts an den kriminellen Netzwerken ändern, die für begüterte Kunden in der dritten Welt auf illegale Art und Weise Organe beschaffen. So häufen sich die Berichte über kriminelle Banden, die Menschen entführen, um diesen Organe zu entnehmen, aber auch Berichte über Praktiken in Gefängnissen der Dritten Welt, in denen Häftlingen und hingerichteten Gefangenen Organe entnommen werden.

Doch kann man es jemandem vorwerfen, beispielsweise für sein krankes Kind ein Organ auf dem Schwarzmarkt zu kaufen, wenn es auf legalem Weg kein Organ gibt?

Der Bundestag hatte nicht den Mut, eine Regelung einzuführen, die in vielen anderen Ländern bereits gebräuchlich ist. So werden nun wieder einige Jahre ins Land gehen, bevor es wieder eine solche Initiative gibt. Bis dahin werden wieder Tausende Patienten sterben, weil sie zu weit unten auf den Wartelisten stehen. Ob das wirklich die bessere Lösung ist?

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