Eine Vorweihnachtsgeschichte

Manchmal schreibt das Leben die schönsten Geschichten. Aber eben auch nur manchmal…

Öffentliche Verkehrsmittel sind cool. Die Kontrolleure auch. Meistens. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Ja, liebe Straßburger Verkehrsbetriebe CTS, ich bekenne mich schuldig. Schuldig, beim Entwerten meines frisch gekauften 24-Stunden-Tickets nicht den Aufdruck eures Entwerters kontrolliert zu haben. Das stimmt. Das habe ich zwar noch nie gemacht, denn wenn es biept und der Fahrschein wieder aus dem Entwerter herauskommt, dann nimmt man ihn, steckt ihn ein und holt ihn erst dann wieder heraus, wenn man kontrolliert wird. Was dann auch passierte. Und bis zu diesem Zeitpunkt war eigentlich alles OK.

Als die sechs Kontrolleure der CTS an der Haltestelle „Maison de la Région“ einstiegen, war ich sehr entspannt. Warum auch nicht? Ich hatte ein frisch entwertetes, frisch gekauftes 24-Stunden-Ticket in der Tasche und hatte es ansonsten eilig. Doch mein Ticket fand keine Gnade vor dem Prüfgerät und den Augen des Kontrolleurs. Ein ungültiges Ticket. Man bedeutete mir, dass ich an der nächsten Haltestelle, „Parlement Européen“, auszusteigen hätte, um den Sachverhalt zu klären. Das war nur bedingt ein Problem, denn ich hatte einen Interviewtermin mit einem Europaabgeordneten und hätte ohnehin aussteigen müssen. Problematischer waren da schon die Blicke der Kollegen und Abgeordneten, die an der Szene vorüberliefen und mich staunend ansahen. Mit diesem Blick „du? Schwarzfahrer?!“.

Dass die muskelbepackten Kontrolleure versuchten, die Situation persönlicher und versöhnlicher zu gestalten, indem sie aus dem Stand vom unpersönlichen Siezen zum deutlich vertrauteren Duzen übergingen, geschenkt. Nerviger war allerdings, dass mein Ticket nicht etwa „keinen“ Entwerteraufdruck trug, sondern nur einen winzigen Entwerteraufdruck, und zwar in Form einer für das menschliche Auge kaum wahrnehmbaren „2“. Aber diese „2“ war da. Mit Erstaunen lernte ich, dass auch Augen vom Phänomen der Grobmotorik betroffen sein können, denn außer mir sah keiner der sechs Kontrolleure diese „2“. Ich bezahlte also meine Strafe für „nicht entwerteten Fahrschein“, machte das Interview im Parlament und fuhr dann, mit einem neuen Fahrschein, in die Stadt zur CTS. Denn auch, wenn ich die Strafe bezahlt hatte, fühlte ich mich nach wie vor unschuldig.

Nach langen und zähen Verhandlungen erklärten sich die Mitarbeiter der CTS dann doch noch bereit, meinen Fahrschein zu überprüfen. Die Überprüfung ergab, dass „naja, der Fahrschein ist eben defekt. Der Magnetstreifen, wissen Sie.“. Anstandslos erhielt ich ein neues 24-Stunden-Ticket und auf Nachfrage sogar ein Formular, dass mein Fahrschein ausgetauscht wurde, da er defekt war. Unterschrieben und gestempelt von der CTS.

Und diese Unterlagen schickte ich dann zusammen mit einem sorgsam ausgefüllten Formular an die CTS, mit der Bitte, mir meine nachweislich zu Unrecht einkassierte Strafe zurückzuerstatten. Ich wartete. Einen Monat. Zwei. Drei. Und dann, mitten hinein in die Vorweihnachtszeit, kam das Schreiben der CTS. Sie würden gar nichts erstatten, denn es wäre meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit, nur mit einem gültigen Fahrschein in der Tram angetroffen zu werden. Und deshalb würden Sie die Strafe auch behalten.

Was das mit der Vorweihnachtszeit zu tun hat? Eigentlich dann doch nichts. Sorry. Und es gibt auch kein Happy End, sondern nur die Feststellung, dass Schreibtischhelden in allen Ländern der Welt eben nur eines sind: Schreibtischhelden.

2 Kommentare zu Eine Vorweihnachtsgeschichte

  1. Dann freuen Sie sich einfach, dass es nicht zu der unlängst beschriebenen Haftstrafe kam.

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