Eine wichtige Woche für die Demokratie auf der Welt

Alle blicken gespannt auf die USA. Die Berichte des FBI über mögliche, gewaltsame Proteste gegen die Amtseinführung von Joe Biden häufen sich. Entscheidet sich die Zukunft der Demokratie in den USA?

Solche Bilder wird es diese Woche nicht mehr in Washington geben - aber im Rest der USA? Foto: TapTheForwardAssist / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Diese Woche wird alles andere als entspannt werden. Die Amtseinführung von Joe Biden als 46. Präsident der USA entwickelt sich mehr und mehr zur Nagelprobe für die Demokratie, nicht nur in den USA, sondern auf der ganzen Welt. Ds FBI berichtet von geplanten „gewaltsamen Protesten“ und niemand weiß genau, was das in einem Land bedeutet, in dem viele Menschen ganz legal Schusswaffen tragen und jährlich mehr als 11.000 Menschen durch diese zu Tode kommen. Wird es diese Woche gewaltsame Ausschreitungen geben?

Noch beunruhigender als die Situation in Washington ist die Lage in den Hauptstädten der US-Bundesstaaten und in den anderen großen Städten. Der Trump-Mob hat offensichtlich mobil gemacht, die Behörden berichten von zahllosen Aufrufen zu Demonstrationen und „Widerstand“. Derjenige, der das zu verantworten hat, hält weiterhin sein Märchen vom „gestohlenen Wahlsieg“ aufrecht, gegen jeden gesunden Menschenverstand und auch gegen die Entscheidungen der Gerichte, die nach eingehender Prüfung keinerlei Anhaltspunkte für die von Trump weiterhin trotzig behauptete Geschichte von „Wahlfälschungen“ feststellen konnten. Aber was kümmern Trump und seine Anhänger schon Fakten?

Sollte es diese Woche zu weiteren Angriffen auf die demokratischen Institutionen in den USA kommen, wäre das ein fatales Signal an die verschiedenen Protest-Gruppen in anderen Teilen der Welt, beispielsweise in Europa. Der Hang zu Verschwörungstheorien beschränkt sich nicht auf die USA, auch in Europa gibt es „Qanon“-Anhänger, „Bill-Gates-Verschwörungstheoretiker“, „Corona-Leugner“ und andere seltsame Zeitgenossen, die ihre Angst vor der aktuellen Situation dadurch zu beruhigen versuchen, dass sie einfache Antworten auf komplexe Fragen geben, gleich, ob sie dabei Lichtjahre von der Realität entfernt sind oder nicht. Erneute gewaltsame Auseinandersetzungen in den USA würden Nachahmer in Europa finden, nach dem Motto, „was die in den USA können, das können wir auch hier…“

Seit dem II. Weltkrieg war die westliche Demokratie noch nie so gefährdet wie im Moment. Die Angst vor einer unüberschaubaren Situation, gepaart mit einer höchst seltsamen und völlig intransparenten Kommunikation der Machthaber, hat zu einem massiven Vertrauensverlust in der Bevölkerung geführt. Dass es so weit kommen konnte, ist nicht etwa die Schuld der Verschwörungstheoretiker, sondern der Offiziellen, die, statt transparent und ehrlich zu kommunizieren, seit einem Jahr mit einem Lügen-Cocktail agieren, der Zweifel selbst bei den treuesten Anhängern der jeweiligen Regierungen schürt.

In Washington selbst dürfte in dieser Woche nicht so viel passieren – über 20.000 nervöse Soldaten haben die Stadt im Griff und eventuelle Störer dürften in Washington selbst keine Chance haben, den Ablauf der Amtseinführung Bidens ernsthaft zu gefährden. Aber ganz anders sieht es im Rest des Landes aus.

Was dort passieren könnte, haben die Trump-Anhänger auf Einladung ihres wahnsinnigen Bosses bereits in Michigan demonstriert, als sie vor einigen Monaten bewaffnet (!) das Capitol in der Hauptstadt Lansing stürmten, nachdem Trump sie ziemlich unverhohlen dazu ermutigt hatte.

Sich darauf zu verlassen, dass die Amerikaner im letzten Moment noch vernünftig werden und auf militante Auseinandersetzungen verzichten, ist nicht viel mehr als ein frommer Wunsch. Die Trump-Anhänger glauben tatsächlich, dass ihnen der Wahlsieg „gestohlen“ wurde und haben das subjektive Gefühl, durch ihre Angriffe auf die Demokratie dieselbe zu verteidigen. Insofern ist die Lage in den USA ein Pulverfass, dessen Lunte schon eine Weile glimmt.

Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass die Ereignisse in den USA ein amerikanischen Phänomen sind, das keine Folgen in anderen Teilen der Welt hat. Sollten der Trump-Mob tatsächlich gewaltsam gegen die Amtseinführung Bidens vorgehen, wird kein Regierungsgebäude der westlichen Welt mehr sicher sein. Es gibt, speziell zu Zeiten einer völlig unübersichtlichen Pandemie und einer riesigen Wirtschaftskrise, die in deren Folge heranrollt, genug Protestbewegungen in der westlichen Welt, die sich ein Beispiel an den USA nehmen werden – so oder so.

Drücken wir also die Daumen, dass in dieser Woche nicht die Götterdämmerung der Demokratie in den USA beginnt. Im Interesse der USA, aber auch in unserem eigenen Interesse…

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