Einer der seltenen deutschen Helden?

Der deutsche General Dietrich von Choltitz widersetzte sich im August 1944 dem letzten Führerbefehl, der lautete, Paris vor dem Abzug der deutschen Truppen dem Erdboden gleichzumachen.

Wenn die Geschichte aus kleinen Verbrechern am Ende doch noch "Helden" macht... Dietrich von Choltitz. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-E1210-0201-018 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – In Nazi-Deutschland gab es nur wenig Helden. Und Heldentum wurde von den Nazis mit dem Tode bestraft. Besonders im August 1944, rund einen Monat nach dem gescheiterten Attentat der Stauffenberg-Gruppe auf Adolf Hitler. Dieses Attentat hatte Hitler hellhörig gemacht und folglich erließ er die Anweisung, dass die Angehörigen „verräterischer Generäle“ zu erschießen seien. Der Mut, sich einem Führerbefehl zu widersetzen grenzte also praktisch an einen Familien-Selbstmord. Und der Führerbefehl, den General Dietrich von Choltitz am 23. August 1944 erhielt, war eindeutig: „Die Seine-Brücken sind zur Sprengung vorzubereiten. Paris darf nicht oder nur als Trümmerfeld in die Hand des Feindes fallen“ – denn zu diesem Zeitpunkt standen die amerikanischen Truppen bereits vor den Toren von Paris und auch die Bevölkerung hatte sich teilweise bewaffnet und war bereit für die „Schlacht um Paris“. Dass die schönste Stadt der Welt nicht in Schutt und Asche gesprengt wurde, dafür sorgte Dietrich von Choltitz, wobei er tatsächlich das Leben seiner Familie und sein eigenes riskierte.

Die historische Figur des Dietrich von Choltitz ist sehr komplex. Der Berufssoldat hatte sich schnell hochgedient und an vielen der verbrecherischen Kampagnen der Wehrmacht teilgenommen, in Russland, Italien und der Normandie. Dabei hatte er, wie er später einräumte, auch an der Ermordung von Juden teilgenommen, weswegen es schwer fällt, ihn als „Retter von Paris“ zu feiern. Erst am 7. August 1944 wurde er zum Militär-Gouverneur von „Groß-Paris“ ernannt und damit zu demjenigen, der beim Rückzug der Wehrmacht in Richtung Deutschland dafür zu sorgen hatte, verbrannte Erde zu hinterlassen. Als systemhöriger General traf er dementsprechend auch alle Vorbereitungen zur Sprengung der wichtigsten Gebäude der Stadt, insbesondere der Brücken, denn Hitler hoffte, dass dies nicht nur den Vormarsch der Alliierten behindern, sondern auch eine Flutwelle auslösen würde, die vielen Franzosen das Leben kosten würde.

Doch manchmal macht die Geschichte aus kleinen Menschen dann doch noch Helden. Von Choltitz hatte die Stadt Paris verkabeln lassen, von den U-Bahn-Schächten über die wichtigsten Gebäude und eben auch die Brücken. Es hätte gereicht, auf den Knopf zu drücken und Paris hätte heute nicht mehr das gleiche Aussehen. Doch Von Choltitz drückte nicht auf den Knopf, nachdem ihn ein schwedischer Diplomat, der Konsul Raoul Nordling, in mehreren Treffen davon überzeugt hatte, dass diese Sprengung den Verlauf des für Deutschland ohnehin verlorenen Krieges nicht mehr ändern und gleichzeitig ein barbarisches Verbrechen an Paris, Frankreich und Europa sei.

War es der Blick über das aus der Nacht erwachende Paris von seinem Fenster im Pariser Hotel Meurice, als die Alliierten anrückten, war es die Überzeugungskraft von Raoul Nordling – man wird es nie mehr erfahren, was VCon Choltitz am Ende umgestimmt hat. Vermutlich eine Mischung aus beidem, doch dennoch bleibt es erstaunlich, dass Von Choltitz den Mut fand, einen Führerbefehl zu verweigern. Denn das war nicht mehr und nicht weniger als Hochverrat, auf den bei den Nazis nur eine Strafe stand – der Tod für ihn und seine Familie.

1950 erklärte Von Choltitz, was sich im August 1944 in Paris zugetragen hatte. „Ich führte Befehle, die mir die Zerstörung von Paris auftrugen, nicht aus. Nicht, weil ich der Idee des Gehorsams absage, sondern weil ich unter schwersten Nöten erkennen musste, dass die Befehle von einem Manne kamen, der sich in rasende Wahnvorstellungen verstrickt hatte.“

Jahre später sagte Charles de Gaulle einmal, dass die nicht erfolgte Zerstörung von Paris die Voraussetzung war, dass es überhaupt zur deutsch-französischen Aussöhnung kommen konnte. Nach dem Krieg wurde Dietrich von Choltitz überraschend schnell aus der Gefangenschaft entlassen – aus dem blinden Gefolgsmann des Führers war ein „Held“ geworden, ohne den es Paris heute nicht mehr in der Form gäbe, wie wir es kennen. Er, der an der Ermordung vieler Menschen teilgenommen hatte, wurde am Ende der Retter vieler Menschen. So unglaublich es klingt, es gibt durchaus Gründe, dem Wehrmacht-General, trotz seiner Beteiligung an unsäglichen Verbrechen, auch dankbar zu sein. Lang lebe Paris – Flucuat nec mergitur…

1 Kommentar zu Einer der seltenen deutschen Helden?

  1. Munziger Edith // 7. Mai 2020 um 12:29 // Antworten

    Ich sah gestern den Film – Diplomatie- und er hat mich tief beeindruckt. Krieg ist Krieg und Befehl Befehl! Eine solche Verweigerug ist immer heikel, aber dank der Ueberzeugungskraft von Konsul Nordling ist es zu einem glücklichen Ende gekommen. Eine Stadt, ja ein Symbol wie PARIS muss ewig bestehen. VIVE LA FRANCE…

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