Einreiseverbote in Russland: Wir dürfen hier leider nicht hinein

89 europäische Spitzenbeamte und Politiker aus der zweiten und dritten Reihe dürfen nicht mehr nach Russland reisen. Als Reaktion auf die Sanktionen gegen Russland.

Der "Rote Dany" Cohn-Bendit freut sich über sein Einreiseverbot in Russland - es haben ihn also noch nicht alle vergessen. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Der Kindergarten geht weiter und das wäre vielleicht sogar witzig, stünde nicht in Osteuropa der Frieden des ganzen Kontinents in Gefahr. Nachdem die EU 151 russischen Staatsbürgern die Einreise untersagt hat, haben die Russen nun mit einer bunt durcheinander gewürfelten Liste geantwortet – 89 Europäer dürfen nicht mehr nach Russland reisen. So etwas nennt man wohl Eskalation und man stellt überrascht fest, dass die russischen Beamten, die an solchen Listen arbeiten, genauso realitätsfremd sind wie die EU-Beamten – bei einigen der Namen auf dieser Liste muss man sogar lächeln.

Mit den Einreiseverboten bringt sich Wladimir Putin, der nächste Woche nicht am G7-Gipfel teilnehmen darf, mal wieder ins Gespräch. Das ist wichtig für ihn, denn die ganze Geschichte in der Ukraine macht ihm vor allem deshalb Spaß, weil er den Rest der Welt am Nasenring durch die Manege führen kann. Also war es mal wieder Zeit für eine medienwirksame Maßnahme. Aber wenn er schon die unglücklichen Maßnahmen der EU kopieren muss, könnte er es dann nicht etwas weniger dilettantisch machen? Wenn man sich die Liste der 89 Europäer anschaut, die nun nicht mehr nach Russland reisen dürfen, stellt man sich die Frage, wie viel Wodka man eigentlich trinken muss, um eine derartige Patchwork-Liste zu erstellen.

Dass die grüne Europapolitikerin Rebecca Harms mit dabei ist, überrascht wenig. Seit Jahren ist sie, vor allem mit ihrem Kollegen Volker Beck, der nicht auf der Liste steht, immer dann in Moskau, wenn es um Menschenrechte geht. Ähnliches gilt für Bernd Posselt, den CDU-Mann, der immer dann aktiviert wird, wenn im Morgenmagazin zu nachtschlafender Zeit gegen Russland gewettert werden muss.

Aber was suchen Staatsekretärin Katrin Studer (die für die Bundeswehrreform zuständig ist und bisher noch nie wegen russlandkritischer Äußerungen aufgefallen ist), und die beiden CDU-Bundestagsabgeordneten Karl-Georg Wellmann und Michael Fuchs auf dieser Liste? Mit Wellmann hatte der Ärger letzte Woche begonnen, als ihm in Moskau die Einreise verweigert wurde – aber Hand aufs Herz, wer kannte bis zum Wochenende schon die Abgeordneten Wellmann und Fuchs?

Ebenso unklar ist, warum auch der Generalinspekteur der Luftwaffe Karl Müllner nicht mehr nach Russland einreisen darf. Anders sieht es schon bei Uwe Corsepius aus, den zwar auch niemand kennt, der aber als Generalsekretär des Europäischen Rats und enger Vertrauter der Kanzlerin schon fast in die zweite Reihe gehört.

Einer freute sich ganz besonders – Daniel Cohn-Bendit, der nun nicht gerade als Meinungsmacher in Deutschland zu betrachten ist. Der frühere EU-Politiker, der kein offizielles Amt mehr bekleidet, sondern sich als bekennender Fan von Eintracht Frankfurt dem Fußball widmen will, muss aus Versehen auf die Schwarze Liste Russlands gerutscht sein. Egal, immerhin war es ein willkommener Anlass, sich darüber zu freuen, dass er nicht schon komplett vergessen wurde. „Wenn ich auf so einer Liste eines totalitären Staats stehe, betrachte ich das als Ehre“, zeigte er sich zufrieden, ebenso wie Bernd Posselt, der es auch klasse fand, mal mit einem Anflug von Heldentum in den Medien zu erscheinen. Sei’s drum – wenn Cohn-Bendit und Posselt nicht mehr nach Russland reisen dürfen, könnte es sein, dass die politischen Auswirkungen dieser Einreiseverbote stark gegen Null gehen.

Aus den anderen europäischen Ländern weiß man, dass unter anderem der bisherige Cameron-Vertreter Nick Clegg auf der Liste steht, ebenso wie der Chef der liberalen ALDE-Fraktion im Europäischen Parlament (und Freund von Cohn-Bendit) Guy Verhofstad, dazu kommen Politiker wie der estnische Justizminister Urmas Reinsalu oder der stellvertretende polnische Verteidigungsminister Robert Kupiecki. Da die Einreiseverbote nach Angaben der niederländischen Botschaft in Moskau einzeln den jeweiligen Botschaftern übergeben wurden, kennt man noch nicht alle Namen.

Es scheint nur festzustehen, dass es sich überwiegend um Politiker oder ehemalige Politiker aus Reihe zwei oder drei handelt, von denen sich viele irgendwann mal russlandkritisch geäußert haben. Jedoch ohne, dass ein wie auch immer geartetes Vakuum in den angespannten Beziehungen zwischen Ost und West entstehen könnte. Die wichtigen Leute dürfen weiterhin hin und her reisen.

Doch dass die EU so empört auf die Einreiseverbote für 89 Europäer reagiert, das wundert schon ein wenig. Immerhin hat sie mit genau der gleichen Maßnahme 151 russische Staatsbürger auf eine solche Schwarze Liste gesetzt. Insofern klingt es komisch, wenn wir nun für eine solche, zuerst vom Westen ergriffene Maßnahme empört reagieren – Putin hat jetzt das gemacht, was wir zuvor auch gemacht haben.

Stückchen für Stückchen driften der Osten und der Westen auseinander. Alle scheinen sich auf die wirtschaftlichen Abhängigkeiten zwischen den Blöcken zu verlassen, doch verkennt der Westen die Bedeutung und das Potential der BRICS-Staaten, deren politische Führung klar bei Russland liegt. In Europa braucht Wladimir Putin eigentlich nur noch seinen guten Freund Joseph Blatter, denn auf PR-Shows steht der russische Zar nun einmal. Alle anderen können zuhause bleiben. Wo soll das nur alles hinführen…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste