Eisenbahner müsste man sein…

Die Deutsche Bahn und die Gewerkschaft EVG nehmen im Tarifstreit den Schlichterspruch im Grundsatz an. Jetzt müssen die Instanzen beider Seiten noch zustimmen.

Wenn wir den Eisenbahnern schon eine solche Gehaltserhöhung bezahlen, sollten solche Bilder der Vergangenheit angehören... Foto: Sebastian Terfloth / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.5

(KL) – Uff, ein Bahnstreik ist in der Urlaubszeit abgewendet worden. Der Schlichtungsvorschlag von Schlichter Thomas De Maizière ist allerdings auch saftig, ein Schluck aus der Pulle, den man sich in anderen Berufsgruppen auch wünschen würde. Und da dieser Schlichtungsvorschlag nun bei der EVG einer Urabstimmung unterzogen wird, die bis Ende August organisiert wird, wird es bis dahin keinen Streik geben. Wenn man sich ansieht, was die EVG ausgehandelt hat, kann man verstehen, dass da niemand mehr Lust auf Streik hat.

Es wäre, so unterstrichen Schlichter und auch Vertreter der Deutschen Bahn, der „höchste und teuerste Tarifabschluss in der Geschichte der Deutschen Bahn“. Das Paket sieht eine steuerfreie (!) Einmalzahlung als Inflationsausgleich von 2.850 € vor. Dazu gibt es eine Gehaltserhöhung für alle EVGler von 410 € monatlich, die in zwei Stufen durchgeführt werden soll. Die Laufzeit des neuen Tarifsvertrags soll 25 Monate betragen, was für die Deutsche Bahn zumindest eine Planungssicherheit für zwei Jahre bringt.

Für die Eisenbahner wäre das ein toller Abschluss, der anderswo sicherlich neidisch betrachtet wird. Im Oktober fast 3.000 € steuerfrei aufs Konto zu bekommen, zu einer Zeit, in der alles teurer wird und der Sommerurlaub gerade vorbei ist, wer hätte das nicht gerne? Doch diejenigen, die auch einen solchen Schluck aus der Pulle verdienen würden, medizinisches Pflegepersonal, Polizei, Lehrer, Künstler und andere, die von den letzten Krisenjahren gebeutelt worden sind, haben entweder kein Recht zu Streiken oder aber sie haben keine Lobby, die so etwas aushandeln könnte.

Sei es den Eisenbahnern gegönnt – doch sollte man im Gegenzug auch so etwas wie Leistung einfordern. Im Jahr 2022 erreichten nur zwei Drittel aller Fernzüge im deutschen Streckennetz pünktlich ihr Ziel. Auch würden sich die Bahnkunden bei ständig steigenden Temperaturen über ICE- und andere Züge freuen, bei denen die Klimaanlage beim Überschreiten der 30-Grad-Marke nicht den Dienst einstellt. Dass die EVG mehr Geld fordert, ist eine Sache, die auch völlig nachvollziehbar ist. Aber warum werden diese großzügigen Prämien nicht an das Erreichen bestimmter Qualitätsziele gekoppelt?

Der Rest dürfte Formsache sein. Der Vorstand der EVG wird seinen 180.000 Mitgliedern die Annahme des Schlichterspruchs empfehlen und es müssten drei Viertel der Mitglieder dagegen stimmen, damit der Schichtungsvorschlag abgelehnt wird. Da dieser Vorschlag aber für die EVGler faktisch eine Gehaltserhöhung im zweistelligen Bereich bedeutet, wäre es schon sehr überraschend, sollte er abgelehnt werden.

Ein Geschmäckle bleibt dennoch. Immerhin reden wir bei der Deutschen Bahn von einem Unternehmen, das sich zu 100 % im Besitz des Bundes befindet und das im letzten Jahr ein Minus von 227 Millionen Euro eingefahren hat. Ganz zu schweigen von den erforderlichen Milliarden-Investitionen, die zur Instandsetzung der teilweise maroden Infrastrukturen erforderlich und die schlicht und ergreifend nicht vorhanden sind.

Angesichts des Umstands, dass dieser enorme Schluck aus der Pulle von der Allgemeinheit bezahlt wird, die selbst nicht in den Genuss solcher Gehaltserhöhungen kommt, ist zumindest die Forderung nach einem Service mit mehr Qualität gerechtfertigt. Glückwunsch an die EVG für eine gut getimte Verhandlung, die wohl deshalb erfolgreich war, weil die Deutsche Bahn um jeden Preis das Chaos eines Streiks im Urlaubsmonat August verhindern wollte. Aber ab sofort sollte das Ziel lauten, dass 95 % aller Züge pünktlich ankommen. Dann wäre auch dieser Tarifabschluss gerechtfertigt.

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