Eiszeit zwischen Paris und Berlin

Der „europäische Motor“, die Achse Paris-Berlin, stottert nicht nur, sondern ist im Leerlauf angekommen. Man hat sich derart wenig zu sagen, dass die geplanten Regierungskonsultationen auf Januar verschoben wurden.

So sehen momentan die Beziehungen zwischen Paris und Berlin aus... Foto: es:Blue Sky Studios / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Der Brüsseler Gipfel in dieser Woche war erneut ein Nachweis, dass die Europäische Union nicht (mehr) funktioniert. Angesichts der Multi-Krisen steht nicht mehr die europäische Einheit im Vordergrund, sondern die nationalen Egoismen. Das allerdings ist extrem kurzsichtig, denn es zeigt, dass einige Regierungen in Europa tatsächlich noch meinen, sie könnten diese aktuellen Krisen alleine bewältigen. Die Entwicklung zeigt, dass diese Regierungen völlig falsch liegen. Die Rechnung für diese politischen Amokläufe werden alle zusammen bezahlen müssen.

Da wurde in Brüssel von „Einigkeit“ gesprochen, von „Optionen“, die es nun zu prüfen gäbe, doch während die Europapolitik noch versucht, so etwas wie eine gemeinsame Linie zur Deckelung der explodierenden Energiepreise zu finden, hat der Bundestag bereits Nägel mit Köpfen gemacht und am Freitag den 200 Milliarden schweren „Doppelwumms“ auf den Weg gebracht. Nicht nur, dass Deutschland damit alle Versuche sabotiert, den Energiepreisen auf europäischer Ebene zu begegnen, dazu isoliert sich Berlin völlig von den anderen europäischen Staaten, denen es eben nicht so leicht fällt, mal eben 200 Milliarden € aus dem Ärmel zu schütteln, um die Preisexplosion für ihre Bevölkerung im Griff zu behalten.

Das Brüsseler Europa wird immer mehr zur Bühne profilierungssüchtiger Nationalpolitiker, deren Diskurs zwar europäisch, deren Handeln aber streng national ausgerichtet ist. Pandemie, Ukraine-Krieg, Klimawandel – in all diesen zentralen Themen ist Europa momentan der wohl schwächste aller Akteure und dieser Umstand bleibt den Supermächten natürlich nicht verborgen. Europa hat auf keinem dieser Themen den Finger und der korrupte Brüsseler Sumpf macht das, was er immer macht – er sorgt dafür, dass europäische Gelder in denjenigen Taschen landen, die ohnehin schon gut gefüllt sind.

Lange Zeit tröstete man sich mit dem Gedanken, dass es Paris und Berlin schon richten werden. Doch in Deutschland macht Olaf Scholz eine sehr traurige Figur, zeigt weder Führungsqualitäten, noch politische Visionen und in Frankreich hat Präsident Macron inzwischen jede Bodenhaftung verloren und versucht, mit seiner vierten oder fünften Ministergarde wenigstens seinen Job zu retten, nachdem ihm Frankreich langsam völlig außer Kontrolle gerät. Nach deutsch-franzöischen Gemeinsamkeiten sucht man momentan vergeblich und die Absage der deutsch-französischen Regierungskonsultationen spricht Bände. Warum sollte man sich auch treffen, wenn man sich nichts zu sagen hat?

Doch während die in nur 45 Tagen gescheiterte britische Regierungschefin Liz Truss wenigstens die Größe hat, von ihrem Job zurückzutreten, klammern sich unsere Flopps weiter an ihre Posten.

Deutschland und Frankreich haben momentan weder gemeinsame Interessen, noch kompatible politische Ansätze. Wenn man ehrlich ist, dann muss man festhalten, dass es in beiden Ländern eigentlich überhaupt keine politischen Ansätze mehr gibt. Stattdessen versucht man in Frankreich, die klammen Kassen von den Ärmsten füllen zu lassen, während man in Deutschland inzwischen die Krisen nur noch verwaltet. Und zwar mehr schlecht als recht.

Nur – wenn zwischen Paris und Berlin Eiszeit herrscht, wer soll dann bitteschön die europäischen Kartoffeln aus dem Feuer holen? Die Briten sind weg, die Italiener freuen sich auf eine Phase des Neofaschismus, die osteuropäischen Länder haben mit Westeuropa nichts am Hut, wer soll Europa retten?

Dass die Europäische Union immer weiter auseinander driftet, liegt zu einem großen Teil an Deutschland. Jahrelang hat sich Deutschland an Europa gesund gestoßen, selbst in der Griechenlandkrise haben sich deutsche Banken eine goldene Nase verdient. Und jetzt, wo deutsche Solidarität gefordert wäre, damit ganz Europa durch diese Multikrise kommt, legt Deutschland einen „Doppelwumms“ auf, mit dem sich Berlin erneut einen riesigen Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen europäischen Ländern verschafft. Motto: nach uns die Sintflut. Nur, und das scheint Herr Scholz auch nicht zu berücksichtigen, bei der Sintflut gehen alle zusammen unter. Da nützt dann auch kein „Doppelwumms“ mehr.

Die politische Kommunikation aus Brüssel täuscht niemanden mehr. Die Union bewegt sich auf eine Situation zu, in der man auf sie auch verzichten kann. Denn dass die Europäische Union nicht mehr das „größte Friedensprojekt“ unseres Kontinents aller Zeiten ist, das weiß man spätestens seit dem 24. Februar 2022.

Deutschland wird sich entscheiden müssen – entweder macht Berlin auf dem Weg des ungebremsten nationalen Egoismus weiter, oder man beginnt, europäisch zu denken und zu handeln. Doch das wird weder mit einem Scholz, noch mit einem Macron, noch mit einer Meloni gehen. Es kommen schwere Zeiten auf Europa zu…

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