Embedded (65)

Der „Lockdown“ ist bekanntermaßen sehr streng in Frankreich. Und weil gerade alle abgelenkt sind, schafft die Regierung eine individuelle Freiheit nach der anderen ab.

Die Veröffentlichung von Bildern wie diesem Einsatz von "Agents provocateurs" soll künftig strafbar sein... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Tag 65. Ausgangssperre. Das „Gesetz zur globalen Sicherheit“, das die französische Nationalversammlung ab dem 17. November besprechen wird, ist wieder einmal starker Tobak. Denn mit diesem Gesetz greift die Regierung erneut Grundwerte an. Dieses Mal ist es die Pressefreiheit, die enorm eingegrenzt werden soll. Das Beunruhigende daran ist, dass die Regierung momentan per Dekret regieren und das Gesetz notfalls auch gegen den Widerstand der Opposition durchwinken kann. Und vermutlich auch wird.

Ein Angriff auf die Pressefreiheit? In der Tat. Artikel 24 dieses Gesetzesvorhabens besagt, dass man künftig keine Einsätze von Beamten filmen und die Bilder veröffentlichen darf. Hierbei geht es vor allem um eines – verhindern, dass Bilder von unverhältnismäßigen Polizeieinsätzen öffentlich werden. Wer künftig prügelnde Polizisten filmt und die Bilder davon streamt oder später veröffentlicht, macht sich strafbar. Und das gilt sowohl für Privatpersonen wie für Journalisten. Wie bitte? Polizeieinsätze dürfen nicht mehr gefilmt werden?!?

Konkret bedeutet das, dass beispielsweise die Menschen, die in den USA den tödlichen Polizeieinsatz gegen Floyd George nicht hätten filmen dürfen. Das hätte Trump & Co. gut gepasst, wenn diese Bilder nicht um die Welt gegangen wären. Die Welt hätte also nichts davon erfahren, dass eine Polizeistreife einen Menschen brutal zu Tode gebracht hat. Ganz schön praktisch für ein autoritäres System. Doch was sich selbst der ansonsten nicht so sehr demokratisch eingestellte Donald Trump nicht getraut hat, Macron macht’s möglich. Die „Fake News“ werden zur Staatsdoktrin und die französische Regierung stellt damit ihren Polizeikräften einen Blankoscheck aus – „macht, was ihr wollt, wenn jemand darüber berichtet, dann sorgen wir dafür, dass der Berichterstatter zum Schweigen gebracht wird“.

Frankreichs Politik hat sich selbst in eine Sackgasse manövriert, aus der es kaum noch Wege heraus gibt. Erst hielt es die Regierung seit November 2018 nicht für nötig, die sozialen Unruhen der „Gelbwesten“ zu befrieden, dann folgte ein Jahr des Lügens rund um die Coronakrise und angesichts der steigenden Unzufriedenheit der Franzosen, die sich am Ende der sanitären und wirtschaftlichen Krise auf der Straße Luft verschaffen wird, stellt man jetzt eben die Weichen, Proteste gewaltsam unterdrücken und Protestierer kriminalisieren zu können. Doch ist es wirklich die Aufgabe einer Regierung, gegen ihr Volk und dessen Interessen zu arbeiten?

Bereits während des ersten „Lockdowns“ wurde per Dekret faktisch der Schutz persönlicher Daten abgeschafft (Dekret 2020-151), bereits im Vorfeld wurde das Demonstrationsrecht aus den Händen der Justiz in diejenige der Verwaltung übertragen, und mit dem nun geplanten Gesetz kommt das nächste Element eines gesetzlichen Rahmens, der es ermöglicht, jeden Protest gegen die Regierung im Keim zu ersticken.

Da nützt es wenig, dass sich die Minister in den TV-Studios gegenseitig die Klinke in die Hand drücken und treuherzig versichern, dass man die aktuellen Krisen besser managt als irgendjemand sonst auf der Welt. Auch das stimmt nicht. In kaum einem anderen Land wurde die Bevölkerung derart dreist belogen als in Frankreich. In keinem anderen Land wurde die aktuelle Krise schlechter gemanagt als in Frankreich. Doch selbst, wenn man Verständnis dafür hat, dass eine Regierung mit dieser Situation überfordert ist, so ist das kein Grund, ein Staatsgebilde zu schaffen, bei dem es selbst einem George Orwell oder Aldous Huxley kalt den Rücken herunter laufen würde.

Wenn diese sanitäre Krise eines Tages beendet sein wird, werden die Franzosen einen Staat vorfinden, in dem viele Freiheiten abgeschafft worden sind. Damit werden Instrumente erschaffen worden sein, die beispielsweise in den Händen noch extremistischerer Kräfte die Einrichtung eines totalitären Staatsapparats ermöglichen. Der Schritt von einem autoritären zu einem totalitären System ist klein – und die Gefahr ist groß, dass Frankreich zum Ungarn Westeuropas wird.  Stoppen kann man diesen Prozess nicht mehr, denn momentan kann diese Regierung tun und lassen, was sie will und dabei muss sie sich nicht einmal dem Votum des Parlaments unterwerfen.

Die Formel ist ebenso einfach wie beunruhigend. Je stärker die Proteste gegen diese Regierung werden, desto mehr kann diese per Gesetz die Daumenschrauben anziehen. Die faktische Abschaffung der Freiheit der Presse, über das Handeln der Staatsorgane zu berichten, ist ein weiterer Schritt in diese Richtung. Ausgangssperre. Tag 65. Die Sorgen, die sich viele machen, sind leider berechtigt.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste