Embedded (68)

Während die Stadt Straßburg am Sonntag träge im „Lockdown“ vor sich hindämmerte, protestierten in der Innenstadt einige Dutzend Katholiken. Ein wenig nach dem Sankt-Florian-Prinzip...

Junge Katholiken fordern eine religiöse Sonderbehandlung ein. Unglaublich. Foto: (c) Florence Grandon / France Télévisions

(KL) – Tag 68. Ausgangssperre. Aber nicht für alle. „Sankt Florian, Sankt Florian, verschone mich, zünd’ andere an“, so ein despektierlicher Spruch für den Schutzheiligen der Feuerwehrleute. Nach diesem Prinzip demonstrierten am Sonntag auch ein paar Dutzend Katholiken auf dem Straßburger Kléber-Platz, mit der Forderung, dass die Messe in der Kirche wieder erlaubt wird. Einige der Sprüche bei dieser erstaunlicherweise von der Präfektur genehmigten Demonstration hatten es allerdings in sich und zeigten, dass einmal mehr eine Bevölkerungsgruppe eine Ausnahme von den „Lockdown-Maßnahmen“ fordert. Diese lehnt man zwar nicht ab, aber man möchte halt, dass sie nur für andere gelten. Toll.

Überall in Frankreich protestierten gestern Katholiken für die Erlaubnis, die Messe zelebrieren zu dürfen. Einer der Teilnehmer der Demonstration vertraute den Grund dafür einer Kollegin eines französischen Privat-TV-Senders an: „Das Christentum ist eine sehr körperliche Angelegenheit. Im Gegensatz zu anderen Religionen brauchen wir den Kontakt zu Glaubensbrüdern und -Schwestern.“ Dies als Argument dafür, dass man gerne katholische Messen erlauben lassen würde, nicht aber die Gottesdienste anderer Religionen. Nun mag diese Position nicht unbedingt die Meinung der Mehrheit der Demonstranten widerspiegeln, sie ist dennoch bedenklich.

Gerade im Elsass sollten sich Glaubensgemeinschaften daran erinnern, dass der erste große Cluster bei einer religiösen Versammlung in Mulhouse ausgebrochen war, wobei man unterstreichen muss, dass die Verantwortlichen zum damaligen Zeitpunkt nicht wissen konnten, welche Gefahr drohte. Mitten im aktuellen „Lockdown“ zu fordern, erneut Gottesdienste in geschlossenen Räumen zu genehmigen, das ist schon starker Tobak.

Die Demonstranten hielten am Sonntag in Straßburg die sanitären Vorschriften ein – alle trugen Masken und auch die Abstände wurden respektiert. Nur – was soll diese Demonstration zu diesem Zeitpunkt? Viele kleine Geschäfte und Firmen gehen gerade ein, da ist die Forderung nach mehr sozialen Kontakten in Gottesdiensten am Rande zum Realitätsfremden. Im Christentum können sich Gläubige auch außerhalb von Gottesdiensten treffen um zu beten, selbst Visio-Gebete sind in Zeiten der Pandemie üblich und natürlich völlig zulässig. Beten gehört also zu den Dingen, die man auch daheim und im stillen Kämmerlein machen kann, zumindest so lange der „Lockdown“ gilt und man versucht, die Ausbreitung dieses Virus durch die Reduzierung der sozialen Kontakte in den Griff zu bekommen. In dieser Situation eine Sonderbehandlung einzufordern, das ist tatsächlich seltsam. Genauso seltsam wie der Umstand, dass diese Demonstration von der Präfektur genehmigt war. Ob eine Demonstration für die Wiedereröffnung der Moschee oder der Synagoge ebenfalls genehmigt worden wäre?

Aber dafür wird wenigstens viel kontrolliert. Polizeiautos fahren im Schritttempo durch die Fußgängerzone, kontrollieren nach dem Zufallsprinzip, ebenso wie die Fahrradpatrouillen oder die Polizisten bei Verkehrskontrollen. Die Atmosphäre wird immer angespannter. Tag 68, Ausgangssperre. Man darf gespannt sein, was für Blüten dieser zweite „Lockdown“ noch treiben wird…

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