Embedded (78)

„Wir haben alles im Griff (auf dem sinkenden Schiff...)“ - so die Nachricht von Präsident Macron an seine Landsleute. Also wird gelockert. Bis auf die Ausgangs-Genehmigungen.

Solche Bilder wird es ab Samstag in Frankreich nicht mehr geben. Bis zur dritten Welle jedenfalls... Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Tag 78. Ausgangssperre. Die TV-Ansprache von Präsident Macron am Dienstagabend klang seltsam. „Wir haben den Höhepunkt der zweiten Welle hinter uns“, sagte der Präsident und verkündete eine Reihe von Lockerungen der strengen französischen „Lockdown“-Regeln. Während anderswo, beispielsweise in Deutschland,; die Maßnahmen weiter verschärft werden, weil diese zweite Welle alles andere als vorbei ist, muss man das französische Vorgehen als „politisch“ betrachten.

Ja, die Ausbreitung des Virus ist leicht verlangsamt. Das mag an den „Lockdown“-Maßnahmen liegen oder auch nicht. Nur – die Ausbreitung läuft immer noch auf Hochtouren, nur dass sie eben etwas langsamer ist. Aber in absoluten Zahlen steigt die Anzahl Infektionen und Todesopfer täglich weiter. Doch angesichts des Weihnachtsgeschäfts für die Einzelhändler spielt das keine Rolle. Also öffnen am Samstag wieder alle Geschäfte (bis auf Restaurants, Bars, Diskotheken und Cafés) und nach den neuerlichen Wochen des Eingesperrtseins werden die Menschen in die Stadt strömen, die öffentlichen Verkehrsmittel fluten und dem Virus eine neue Dynamik verleihen. Was dann bereits die Vorbereitung für die dritte Welle und den dritten „Lockdown“ wird.

Sinnvoll bei den Lockerungen ist die Aufhebung der Vorschrift, dass man sich täglich nur eine Stunde in einem Umkreis von 1 Kilometer rund um seine Wohnung an der frischen Luft bewegen darf – der Radius wird ab Samstag auf 20 km erweitert und man darf 3 Stunden draußen sein – wodurch diese Vorschrift faktisch kaum noch kontrollierbar wird. Ansonsten sind alle herzlich eingeladen, in den Weihnachtsferien das zu tun, was man auch bei der ersten Aufhebung der Maßnahmen im Frühsommer getan hat: Reisen in überfüllten Verkehrsmitteln, um das Virus auch in den letzten Winkel des Landes zu tragen.

Nach dem systematischen Versagen der Regierung seit Beginn der Pandemie, wollte sich Macron als „Vater der Nation“ präsentieren. Das müssen ihm seine Kommunikations-Berater vorgeschlagen haben, denn während seiner Ansprache wiederholte der Präsident mehrfach, dass es seine Aufgabe sei, seine Landsleute „zu schützen“. Aber schützt er sie, indem er auf Knopfdruck wieder die gesamte Bevölkerung in die Züge, auf die Autobahnen und in den Urlaub schickt? Und – wie viele Franzosen können sich in der bereits laufenden Wirtschaftskrise einen Urlaub leisten?

Irgendetwas musste Macron tun, denn die Stimmung im Land ist sehr angespannt. Aber, wenn es dumm läuft, wird die Regierung schnell zurückrudern müssen, ähnlich wie die schwedische Regierung. Diese hat sich nun, nach einem Jahr des „Laisser faire“ durchgerungen, doch einen „Lockdown“ zu organisieren, da das Konzept der „Herdenimmunität“ nicht funktioniert. Fehler sind menschlich.

Die „virale Pause“ über die Feiertage ist gefährlich, denn das Virus kennt keine Feiertage und es ist auch nicht so fair, uns in Ruhe durchatmen zu lassen und solange die Füße stillzuhalten. Die Nachricht, man habe die Situation mehr oder weniger im Griff, ist irreführend. Denn das Virus macht nach wie vor, was es will und bisher hat sich noch kein einziger Lösungsansatz als zielführend erwiesen. Den Menschen zu sagen, dass jetzt, mehr oder weniger, alles auf dem richtigen Weg und so gut wie geregelt sei, das bewegt sich am Rande zur „Fake News“. Frankreich ist nach wie vor eines der Länder, das die höchsten Opferzahlen zu verzeichnen hat und daran wird sich so schnell auch nichts ändern.

Die Einzelhändler werden die Gelegenheit nutzen und sehr auf die Hygiene-Vorschriften achten, wie sie es bereits in der Vergangenheit getan haben. Doch die Entwicklung zeigt, dass es unmöglich ist, die Pandemie auf nationaler Ebene zu managen. Wir bräuchten eine kontinentale Strategie, doch wenn man sieht, wie unterschiedlich in den einzelnen Ländern agiert wird und wenn man dazu berücksichtigt, wie mobil die heutige Welt ist, dann erkennt man, dass nur ein gemeinsames europäisches Vorgehen zu Ergebnissen führen kann. Doch auf das können wir noch lange warten. Ausgangssperre. Tag 78. Wir werden das Stückchen mehr Freiheit genießen und bereiten uns gedanklich schon auf die dritte Welle vor. Denn die wird kommen.

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