Embedded (80) – Eine menschenleere Stadt

Zum dritten Mal seit einem Jahr ist Frankreich im Lockdown und es ist kein Ende abzusehen. Ob die Maßnahmen greifen, bleibt abzuwarten – aber die Belastung für die Menschen wird immer grösser.

Ostermontag in einer menschenleeren Stadt... Straßburg April 2021. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Als wir am 27. November 2020 die letzte Ausgabe der Serie „Embedded“ veröffentlichten, dachten wir eigentlich, dass es mit dem Ende des 2. Lockdowns dann auch irgendwann gut sei. Doch das war es nicht. Die Weihnachtszeit mit den dazugehörigen Ferien sorgte für die „dritte Welle“ und die ist bislang die virulenteste. Überall in Europa (und auf anderen Kontinenten) grassiert das Virus, sterben Menschen, stehen die Krankenhäuser kurz vor dem Kollaps. Die Stimmung gleicht einem Pulverfass, dessen Lunte bereits brennt und das jederzeit explodieren kann.

Als unser Kollege Olivier Claudon von den DNA kurz vor dem ersten Lockdown seinen wunderbaren Roman „Et la ville sera vide“ (Und die Stadt wird leer sein) veröffentlichte, ein elegant konstruierter Historien-Krimi, der im menschenleeren Straßburg spielt, als die Bevölkerung der Stadt vor den heranrückenden Nazis in die Dordogne evakuiert wurde, da ahnte niemand, dass die von ihm beschriebenen Szenen in einer leeren Stadt schon kurze Zeit später Wirklichkeit würden. Doch genau so kam es. Der Roman von Olivier Claudon wurde völlig zurecht zum Bestseller und das Bild, das die Stadt Straßburg heute bietet, entspricht genau dieser Erzählung. Die Stadt ist wieder auf Null heruntergefahren, die Geschäfte müssen (bis auf wenige Ausnahmen) wieder schließen und die Menschen sind aufgefordert, daheim zu bleiben und Kontakte zu vermeiden.

Und so beginnt heute mit Ausgabe 80 der dritte Teil dieser Serie „Embedded“, einer Dokumentation über dieses Jahr der Lockdowns, mit allen Enttäuschungen, Hoffnungen, Sorgen. Wir werden also weiterhin erzählen, wie es sich in einer ausgebremsten Stadt lebt, wie sich die Befindlichkeiten entwickeln, wie es weitergeht.

Momentan verändert sich vor allem das Stadtbild. Neben den vielen Militärs, die zu den letzten Spaziergängern in der Stadt gehören, patrouillieren nun auch Polizeiautos im Schritttempo in der Innenstadt und schaffen eine geradezu gespenstische Atmosphäre. Wir sind aufgefordert, bei jedem Verlassen des Hauses einen Schwung Papiere dabei zu haben, aus denen hervorgeht, wo wir wohnen, wohin wir gehen und vor allem, warum. Dies führt inzwischen dazu, dass man sich beim Verlassen des Hauses schon fast „schuldig“ fühlt, denn man kann nie sicher sein, dass man wirklich alle geforderten Papiere in der aktuellen Version korrekt ausgefüllt bei sich trägt und sollte irgendetwas fehlen, dann kostet das bei einer Kontrolle 135 €.

An diese neuen Kontrollen wurden die Menschen in Frankreich bereits letzte Woche gewöhnt. 90.000 Polizisten waren für eine Mammut-Operation mobilisiert worden, mit Großkontrollen an allen möglichen Orten. Ist das der dritte Lockdown, der nun mindestens vier Wochen lang gelten soll? Der Beginn eines Polizeistaats? Vieles deutet darauf hin, denn künftig wird vieles nur noch Menschen möglich sein, die geimpft sind. In anderen Ländern funktioniert das. Aber in den Ländern, in denen das funktioniert, wie beispielsweis ein Israel, haben die Regierungen auch dafür gesorgt, dass es ausreichen Impfdosen und eine entsprechende Logistik gab. Doch wird es problematisch werden, Geimpften bestimmte Lockerungen angedeihen zu lassen, während der Großteil der Bevölkerung von diesen Lockerungen ausgeschlossen bleibt, weil nach wie vor die Impfdosen fehlen.

Am Wochenende habe ich versucht, im Internet einen Impftermin zu bekommen. Irgendwo im Departement Bas-Rhin. Zwei Tage lang brach die Verbindung bei jeden Versuch einer Terminreservierung zusammen, vermutlich, weil zu viele Menschen versuchen, einen solchen Termin zu bekommen.

Ab morgen wird es wieder richtig spannend, denn dann werden viele Menschen aus dem Osterurlaub zurückkommen. Viele von ihnen werden sich mit dem Virus und seinen Varianten angesteckt haben und besonders interessant wird die Frage der Mutationen sein, da in vielen Regionen unterschiedliche Varianten unterwegs sind, die während der Urlaubstage ausreichend Gelegenheit hatten, sich auf geänderte Umstände anzupassen. Allgemein rechnet man damit, dass die Zahlen in den kommenden 7 bis 10 Tagen wieder explodieren werden. Aber für ein paar Tage Osterurlaub nimmt man gerne den Zusammenbruch des Krankenhaussystems in Kauf. Urlaub verbieten im Jahr 2021, kurz vor den Regional- und Departementswahlen und ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen und den Wahlen für die Nationalversammlung? Auf gar keinen Fall, man möchte ja wiedergewählt werden. Und wenn es die Volksgesundheit kostet.

Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Die aktuelle Inzidenz in ganz Frankreich liegt bei 406,4 und bislang gab es über 96.000 Todesopfer zu beklagen. Das alleine reicht schon als Begründung für die aktuellen Maßnahmen. Die sogar wirken könnten, würden die europäischen Partner mitziehen. Aber das tun sie leider nicht. Tag 80, der dritte Lockdown hat begonnen.

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