Embedded (83) – Ein Stückchen Freiheit

Seit Beginn der Pandemie berichten wir in dieser Serie, wie das Leben bei den französischen Nachbarn abläuft, zu einem Zeitpunkt, zu dem nichts mehr „normal“ ist.

Auf den Moment hatten wir alle lange gewartet - endlich wieder richtig "live" mit den Kollegen und Kolleginnen! Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Ob der 19. Mai wohl zum Feiertag geadelt werden wird? Auf jeden Fall ist der 19. Mai 2021 der Tag, an dem die Terrassen öffneten, die Menschen sich wieder treffen konnten und da der Morgen in herrlichen Sonnenschein getaucht war, nutzten hier in Straßburg viele Menschen die Gelegenheit etwas zu tun, was man seit Monaten vermisst hatte – auf einer Terrasse einen heißen Kaffee trinken, einen Croissant essen und die Tageszeitung lesen. Das war ein Morgen wie aus einer vergangenen Zeit.

In den letzten 15 Monaten haben wir vor allem eines gelernt – Dinge zu akzeptieren, die man eigentlich gar nicht akzeptieren kann. Doch dafür gab es einen guten Grund und – dieser Grund ist immer noch gültig, denn bei aller Freude über das Stückchen wiedererlangter Freiheit darf man nicht vergessen, dass die Pandemie immer noch unterwegs ist. Das allerdings sah man gestern am Morgen auf den zahlreichen Terrassen, die pünktlich um 6 Uhr öffneten – die Menschen hielten sich weitestgehend an die sanitären Protokolle. Denn niemand möchte, dass die Freude über ein wenig Freiheit sofort wieder dazu führt, dass diese Freiheit wieder beschnitten wird, wie man es in Deutschland im Saarland und in Tübingen gesehen hatte, als vorschnelle Öffnungen unter dem Etikett „Modell“ zum Flopp wurden und schnell zurückgenommen werden mussten.

Radio France Bleu Alsace hatte zur Feier des Tages eine Sondersendung von der Terrasse des Pubs „The Dubliners“ organisiert – zum ersten Mal seit Monaten trafen sich Freunde und Kollegen, die ansonsten seit langen Monaten nur telefonisch voneinander hören. Die reine Freude, die Kolleginnen und Kollegen wieder zu sehen und eine Sendung „echt live“ zu machen! Auch ein Stückchen „Normalität“.

Nichtsdestotrotz, in den kommenden Wochen und Monaten wird es darum gehen, mit diesen neuen (und eigentlich alten) Freiheiten verantwortungsvoll umzugehen. Denn sollten jetzt alle Jubeldämme brechen, dann gibt es die „vierte Welle“, die bereits in den ersten asiatischen Ländern startet.

Doch bei aller Vorsicht ist der 19. Mai ein echter Lichtblick gewesen. Die Ausgangssperre (auch etwas Seltsames, an das wir uns gewöhnt haben) ist auf 21 Uhr verlegt worden, was auch ein Zeichen ist, dass wir uns langsam, aber sicher auf den Weg zu mehr Normalität gemacht haben.

Vielleicht war der gestrige Tag der Start zu einem neuen Kapitel in dieser seit 15 Monaten andauernden Saga, zu einem neuen Umgang mit der Pandemie. Im Grunde ist jedem und jeder klar, dass diese Pandemie nicht vorbei ist und dass es jetzt darum geht, besser mit ihr umzugehen. Das bedeutet, dass man weiterhin sorgsam die sanitären Vorgaben einhalten muss, dass man die neuen Freiheiten sinnvoll nutzt und versucht, alles daran zu setzen, dass die Zahlen nicht sofort wieder explodieren. Wenn jetzt alle am gleichen Strang ziehen und halbwegs vernünftig mit der Situation umgehen, dann kann das klappen. Gestern klappte es auf jeden Fall und – es war ein wunderschöner Vormittag, auf der Terrasse, in der Sonne, bei Kaffee und Croissants mit Freunden und Kollegen…

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