Embedded. Ausgangssperre, Tag 18. Grenzen austesten.

Während wir alle wie Hühner in unsere Käfige gesperrt sind (völlig richtigerweise), testet die Regierung aus, wie weit sie mit uns gehen kann. Beunruhigend.

Erst erklärte Polizeipräfekt Didier Lallement, dass die bisherigen Opfer des Virus mehr oder weniger selbst schuld gewesen seien, dann ruderte er unbeholfen zurück... Foto: ScS EJ

(KL) – Mann, Mann, Mann, Tag 18. Der Husten war heute morgen wieder da. Der Jojo-Effekt, von dem alle berichten, die sich schon mit diesem Covid-19 haben herumschlagen müssen. Das Drecksvirus ist geradezu zynischer Natur – einen Tag suggeriert es einem, dass es deutlich besser geht, am nächsten Tag kommt das Tackling von hinten. Und kein kein Schiedsrichter weit und breit, der dem Ding die Rote Karte zeigen würde. Ich stelle mich auf eine längere Geschichte ein, an Tag 12 „meines“ Virus wird mir klar, dass ich es besiegen werde, aber dass das noch Zeit brauchen wird. Und währenddessen hangelt sich Frankreich von Aussetzer zu Aussetzer.

Den Klops des Tages brachte gestern nicht der Premierminister, auch nicht der Präsident und überraschenderweise auch nicht die Regierungssprecherin, die normalerweise jeden Tag vor der Presse einen neuen Klops vor sich hin plappert, nein, gestern war es der Polizeipräfekt von Paris, Didier Lallement, der dadurch bekannt wurde, dass er bei den Demonstrationen der „Gelbwesten“ seine Polizeieinheiten vor Ort unter einer XXXL-Mütze kommandierte, die ihm immer so weit über die Augen rutschte, dass er kaum etwas sehen konnte.

Gestern trat er vor die Presse und erklärte, dass sich die Tausenden Franzosen, die gerade in Reanimation befinden (und die über 6000 Franzosen, die bereits gestorben sind) das eigentlich selbst zuzuschreiben hätten, da sie die Hygiene-Vorschriften nicht beachtet hätten. Viel schlimmer kann man seine eigene Bevölkerung wohl kaum noch beleidigen, viel heftiger kann man sich über die Riesentragödie im Land nicht mehr lustig machen. Klar, nachdem trotz Confinement ein Aufschrei der Empörung durchs Land ging, ruderte er vorsichtig zurück und entschuldigte sich sogar. Aber das war zu wenig und zu spät.

Langsam bekommt man das mulmige Gefühl, dass diese Regierung gerade austestet, was sie ihrem Volk zumuten kann. Dafür schickt man die zweite Reihe vor die Presse und lässt diese Ungeheuerlichkeiten zum Besten geben. So bekommt man heraus, was man dem Volks zumuten kann und wo die Schwelle ist, ab der es reagiert. Fast könnte man meinen, dass die Regierung bereits die Zeit nach der sanitären Katastrophe vorbereitet und vor allem, wie man die Bevölkerung am Besten in Schach hält, wenn diese ihrer Wut über diese Regierung freien Lauf lässt. Dass die Regierungsmitglieder so dämlich sind, dass sie diese Aussagen „aus Versehen“ oder „ohne nachgedacht zu haben“ treffen, das glaubt inzwischen kein Mensch mehr.

Das nützt es auch nicht viel, dass die „Präsidentenpresse“, so nennt man allen Ernstes in Frankreich diejenigen Massenmedien, die von der Regierung mit Kommunikationen gefüttert werden, „Umfragen“ veröffentlicht, in denen sich angeblich über 50 % der Franzosen mit dem Krisenmanagement der Regierung zufrieden zeigen – die Realitäten sind ganz anders. Kein Wunder, dass die eigentlich im März geplanten und nach einem skandalösen ersten Wahlgang (zu einem Zeitpunkt der Ausgangssperre, zu dem man nicht aus dem Haus, aber ins Wahllokal gehen sollte) abgebrochenen OB- und Kommunalwahlen erst einmal Richtung Vorweihnachtszeit verschoben wurden – momentan möchte diese Regierung wirklich nicht hören, was die Franzosen von ihr halten…

Doch auch im privaten Kreis und in den sozialen Netzwerken wird der Ton täglich rauer – kein Wunder, die Tage sind geprägt von schlimmen Nachrichten, von Krankheit, Elend und Tod, von unglaublichen neuen Erlassen wir der im Amtsblatt veröffentlichten Erlaubnis zur Euthanasie, mit der ein gesellschaftlicher Tabubruch begangen wird, mit dem entschieden werden kann, welches Leben rettenswert und welches das nicht ist – da gibt es wenig Erfreuliches im Laufe des Tages. Die Nerven liegen blank. Das Ungeheuerliche wird zur Normalität. Und dabei stehen wir auch an Tag 18 immer noch erst am Anfang. Aber wo wird es enden?

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