Embedded. Ausgangssperre, Tag 2.

Eingeschlossen in einer völlig gelähmten Stadt. Niemand darf herein, niemand darf heraus. Mehr oder weniger. Bis auf ein paar arme Seelen, die noch auf der anderen Rheinseite arbeiten müssen.

Leben in einer gelähmten Stadt - Ausgangssperre Tag 2. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Tauben übernehmen das Kommando. Sehr seltsam, die Vögel scheinen zu spüren, dass sich etwas geändert hat. Dass ihnen niemand mehr nachstellt. Dass sie sich dort ausbreiten können, wo es ihnen gefällt. Vor meinem Balkon arbeiten sich die Täuberiche an den Tauben ab, es wird geflirtet, dass es kracht und wenn die Taube nicht will, wird eben woanders weiter gebalzt. Offenbar sind die zwischenmenschlichen Beziehungen bei Tieren einfacher als bei uns.

Die Stille ist immer noch da. Wir werden uns daran gewöhnen müssen. Und dennoch sind viele Leute am Vormittag unterwegs und posten munter Bilder der menschenleeren Stadt. Im Grunde kein Problem, es reicht, dass man sich seine eigene Genehmigung ausdruckt. Das geht aber auch nicht anders. Die Menschen müssen einkaufen, den Hund Gassi führen, zum Arzt gehen, ein Minimum an Leben aufrecht erhalten. Die Atmosphäre ist zum Schneiden dick.

Dazu verfolgen wir natürlich die Nachrichten aus der eigenen Region und die sind heftig. Während in Mulhouse die Armee unterstützend eingreifen muss, um Schwerkranke per Militärflugzeug in andere Krankenhäuser zu verlegen, beispielsweise ins weit entfernte Toulon, stellt sich die Frage, warum die deutschen Nachbarn nicht helfend eingreifen und entweder selbst Kranke aufnehmen (was deutlich kürzere Flugzeiten bedeuten würde) oder wenigstens Equipment für das Notlazarett bereitstellen. Ausgerechnet in dem Moment, wo die deutsch-französische Freundschaft so dringend erforderlich wäre, versagen die Behörden auf beiden Seiten. Jeder für sich und nach uns die Sintflut.

Überhaupt die deutsche Seite. Während überall in Europa mit Maßnahmen, die von jedem und jeder persönliche Einschränkungen erfordern, der Kampf gegen das Coronavirus geführt wird, trifft man in Deutschland so bahnbrechende Entscheidungen wie in Baden-Baden, wo die Restaurants offen bleiben dürfen, sofern die Tische einen Abstand von 1,5 Metern haben. Begreifen die deutschen Nachbarn nicht, was gerade passiert? Und dass sie dabei sind, diesem Virus eine weitere, fast ungehinderte Verbreitung zu ermöglichen? Können oder wollen die deutschen und französischen Behörden nicht zusammenarbeiten?

Was nützt unsere Ausgangssperre, wenn nur ein paar Kilometer weiter so getan wird, als gäbe es dieses Virus nicht? Und warum gibt es keine europäische Sonderregelung für diese unbekannte, noch nie dagewesene Situation?

Die Stille, die über der Stadt lastet, ist nicht etwa entspannend, sondern beunruhigend. Wir dürfen nicht hinaus, weil der Feind in der Stadt ist und der trägt einen Namen: SARS-CoV-2. Man darf gespannt sein, wann man auch in Deutschland begreift, dass dies eine Krise ist, die man nicht nur in der Tagesschau verfolgt, sondern die da ist, hier, mitten unter uns.

Die Ausgangssperre wird noch sehr lang werden.

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