Embedded. Ausgangssperre, Tag 26. Mal ganz blöd gefragt…

Es ist Ostersonntag, wir sind seit 26 Tagen daheim eingesperrt, und ich habe meine eigene Erkrankung fast hinter mir. Fast. Ein paar Tage noch. Und ich stelle mir immer mehr Fragen.

Könnte bitte mal wissenschaftlich und unzweideutig geklärt werden, ob das Tragen solcher Masken hilfreich ist oder nicht? Foto: Nenad Stojkovic / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Tag 26. Ostersonntag. Mein persönliches Virus steht kurz vor dem Abgang. Zum Glück. Ein paar Symptome sind noch da, aber sie werden schwächer. Wenn es so weitergeht, werde ich am Dienstag meinen ersten Spaziergang machen können. Ich freue mich unbändig darauf. Und gleichzeitig stelle ich mir immer mehr Fragen.

Da sind wir technologisch in der Lage, Raumsonden bis auf den Mars zu schicken, die Welt über kleine Wunderwerke wie Dronen zu überwachen, wir entwickeln Künstliche Intelligenz und befinden uns, kurz gesagt, auf einer Ebene der technologischen Meisterschaft, von der vor 100 Jahren niemand zu träumen gewagt hätte. Aber gleichzeitig sind die besten Forscherteams der Welt seit drei Monaten offenbar nicht in der Lage zu ermitteln, ob wir uns gegen das gerade grassierende Virus SARS-CoV-2 schützen können, indem wir eine Schutzmaske aus Stoff oder Kunststoff vor Mund und Nase spannen. Das darf doch wohl nicht wahr sein!

Politik und Wissenschaft debattieren angeregt über diese Frage, während sich die Zahl der Opfer dieser Pandemie immer weiter erhöht. Inzwischen gibt es doppelt so viele Tote als amerikanische Opfer im Vietnamkrieg, und wir sind immer noch nicht in der Lage zu bestimmen, ob das Tragen einer kleinen Maske einen Schutz darstellt oder nicht?! Wie wäre es denn, wenn sich mal jemand mit dieser Frage ernsthaft beschäftigen würde? Wenn es möglich ist, das menschliche Genom zu entschlüsseln, wenn es möglich ist, mit Robotern auf weite Distanzen komplizierte Operationen durchzuführen, dann sollte es doch eigentlich auch möglich sein, eine Antwort auf die relativ simple Frage zu finden, ob das Tragen von Schutzmasken hilfreich und sinnvoll ist oder nicht.

Als im französischen Strasbourg „konfinierter“ Ausländer beobachte ich mit Sorge, dass die hier getroffenen Maßnahmen nicht nur nicht ausreichen (die Letalität, also die Sterblichkeit der Erkrankten ist in Frankreich überdurchschnittlich hoch und die höchste in Europa, noch vor der in Italien), sondern dass sie auch deutlich schlechter kommuniziert werden als anderswo. Die Tageszeitung „Le Parisien“ berichtet in einem Artikel davon, dass die Geheimdienste eine starke Radikalisierung der sozialen Protestbewegungen fürchten und da passt es ja hervorragend, dass die Regierung ohne jedes logistische Problem noch einen Vierjahresvorrat an Tränengasgranaten angelegt hat. Anders ausgedrückt, zu einem Zeitpunkt, zu dem die Regierung täglich etwas anderes zum Thema Gesichtsmasken zum Besten gibt, bereitet sie sich schon auf bürgerkriegsähnliche Zustände am Ende der sanitären Krise vor.

Das gibt es momentan praktisch nirgendwo anders. Mag sein, dass auch andere Regierungen ihre Völker in dieser Krise belügen, doch nirgends geschieht das so plump wie in Frankreich. Wenn vorgestern die unsägliche Regierungssprecherin Sibeth Ndaye allen Ernstes erklärt, dass es schon sein kann, dass Gesichtsmasken in Asien funktionieren, „aber niemand sagen kann, dass die das auch in Frankreich tun“, dann merkt man, dass diese Regierung das eigene Volk für eine Ansammlung von Vollidioten hält. Dass nun die Geheimdienste davon ausgehen, dass es am Ende der sanitären Krise heftig krachen wird, das könnte durchaus daran liegen, dass sich das französische Volk in dieser Situation von seiner Regierung angesichts der zahllosen Lügen nicht ernst genommen fühlt. In einer Situation, in der solche Lügen Tausende von Menschenleben kosten können, sollte sich die Regierung eher selbst hinterfragen, als sich eilig für eine kriegerische Auseinandersetzung mit dem eigenen Volk vorzubereiten.

Dass nun eine inzwischen fast gleichgeschaltete Staatspresse fragwürdige Umfragen veröffentlicht, nach denen die Franzosen angeblich hellauf vom Krisenmanagement ihrer Regierung begeistert sind, trägt nicht unbedingt dazu bei, dass sich die Franzosen Ernst genommen fühlen.

Die Anspannung und Frustration in Frankreich wächst. Das Tischtuch zwischen Volk und Regierung ist zerschnitten. Schade, dass in einer solchen Situation eine Regierung an der Macht ist, die der eigene Präsident als „Amateure“ bezeichnet. In einer solchen Situation würden Profis benötigt werden, wie in anderen Ländern. Denn dort bereitet sich gerade niemand auf einen Bürgerkrieg nach der Coronakrise vor. Weil es nicht nötig ist. Tag 26, könnte bitte wenigstens endlich wissenschaftlich und unzweideutig die Frage geklärt werden, ob das Tragen von Gesichtsmasken angebracht ist?

1 Kommentar zu Embedded. Ausgangssperre, Tag 26. Mal ganz blöd gefragt…

  1. Ich meine, Sie sollten „Volk“ gegen „Bevölkerung“ austauschen.

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