Embedded. Ausgangssperre, Tag 27. Wie nett!

Der Ostersonntag, 27. Tag unseres Eingesperrtseins, war erstaunlich nett. Fast hatte man das Gefühl, als gäben sich alle Mühe, den aufgeheizten Ton etwas 'runterzufahren...

Auf dem Dach des Grand Palais in Paris steht eine der Antworten auf die aktuelle Krise - "Harmonie siegt über Streit" von G. Recipon. Foto: Jebulon / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Das also war der Ostersonntag gestern. Ein seltsamer Tag, zumindest für alle, die diesen Tag alleine verbrachten. Während die glücklich zu mehreren Konfinierten stolz Fotos ihrer Osterbraten, Entrees, Desserts und Käseplatten zeigten, saßen jede Menge Leute alleine in ihren Apartments und rätselten, was an diesem Tag 27 so anders sein sollte als an Tag 24 oder 17 oder 19. Aber es gab tatsächlich etwas anderes. Gestern herrschte ein anderer Ton in Konfineland.

Etwas linkisch suchten alle nach der richtigen Formulierung. In dieser Ausnahmesituation konnte man nicht gut „Fröhliche Ostern“ schreiben, denn wer ist schon in einer Situation, in der Tausende Menschen sterben, „fröhlich“? „Schöne Ostern“ wer auch nicht so einfach – denn diese Formel bezieht sich auf die ganze Osterzeit und aktuell gibt es einfach keine vier schönen Tage in Reihe. Zumindest für die meisten nicht. Die meisten schrieben dann Kompromisse wie „Schönen Ostersonntag“, was gut ging. Aber nicht die Formel war wichtig, sondern der Gedanke dahinter. Alle gaben sich Mühe, ausnahmsweise die sozialen Netzwerke nicht als Blitzableiter zu benutzen, sondern tauschten freundliche Nachrichten aus, deren Leitmotiv „Hoffnung“ war.

Für Christen war dies natürlich der ideale Anlass, sich gegenseitig Hoffnung zu machen, denn immerhin ist Ostern ja das Fest der Hoffnung, der Wiederauferstehung, der Verheißung auf eine bessere Welt. Dinge, die jeder teilen kann, gleich welcher Religion oder sonstigen Weltanschauung. Und so klang es gestern auch weitgehend in den sozialen Netzwerken. Solange, bis Regierung und der Arbeitgeberverband MEDEF verlauten ließen, dass die Franzosen nach der Coronakrise „doppelt Gas geben müssten“. Tolles Timing, toller Inhalt. Das wollen wir heute mal nicht kommentieren, doch bleibt festzuhalten, dass weder Regierung noch Arbeitgeberverband offenbar daran mitwirken wollen, einen Konsens mit der Bevölkerung herzustellen, sondern dass sie alles daran setzen, den Status Quo von vor der Krise so schnell wie möglich zu erreichen. Soweit die Nachrichten aus der Sendereihe „Nichts verstanden, nichts gelernt“.

Dass sich die Bevölkerung Mühe gibt nicht durchzudrehen und sich zumindest am Ostersonntag eines freundlicheren Tons befleißigt hat, ist den Franzosen und Französinnen hoch anzurechnen. Denn nach der Krise wird man aus den Folgekrisen nur herauskommen, wenn alle zusammenhalten. Und dazu sollte man jetzt möglich nicht alle Tischtücher zerschneiden, derer man habhaft werden kann.

Aber seltsam ist es doch, dass diese Krise in Frankreich so ganz anders abläuft als in anderen Ländern. Heute Abend werden wir mehr wissen. Die TV-Ansprache des Präsidenten wurde Elysee-Palast als eine Rede in der Gewichtsklasse Winston Churchill angekündigt und da erinnert man sich gleich an dessen berühmte Rede, in der er im Krieg den Briten „Blood, Sweat and Tears“ angekündigt hatte. Blut, Schweiß und Tränen. Damit Industriegruppen wie der Petro-Gigant Total auch weiterhin, wie mitten in der Krise, Milliarden an Dividenden an die Aktionäre ausschütten können? Wir werden es heute Abend hören.

Tag 27. Ostern. Die Franzosen träumen von Harmonie. Aber leider ist das Ende dieser Krise immer noch kilometerweit entfernt. Und keiner blickt mehr durch, was gerade wirklich Sache ist.

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