Embedded. Ausgangssperre, Tag 34. Solidarität?

Klar, das „Confinement“ dauert lange. Aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund wird es in Frankreich täglich schwerer, einen echten Zusammenhalt aufrecht zu erhalten. Woran liegt's?

Nur diese Haltung wird uns nach der Corona-Krise weiterhelfen... Foto: Jeff from Hong Kong, Hong Kong / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Tag 34, das, was wir gerade erleben, hat die Welt in dieser Form noch nie durchgemacht. Noch nie. Folglich fehlt es an Verhaltensnormen, die in einer solchen Situation angewandt werden sollten, um ein Mindestlevel an Zusammenhalt in der Gesellschaft sicherzustellen. Und so passiert das, was einem in Hinblick auf die irgendwann stattfindende Aufhebung der Ausgangssperre ein mulmiges Gefühl gibt – die Menschen arbeiten sich aneinander ab, vermischen immer mehr politischen Wahlkampf und persönliche Frustration und die Stimmung wird immer aufgeheizter, aggressiver und wenig konstruktiv. Bedenklich.

Die Stimmung? Ja, die Stimmung und für die gibt es in Zeiten des „Confinements“ als Gradmesser nur die Sozialen Netzwerke. Und was dort gerade stattfindet, ist ziemlich beunruhigend. Während die einen täglich traurige Kurznachrichten absetzen („Ich kann nicht mehr“ oder „Schnauze voll“), andere täglich demonstrieren, dass sie gut, fett und hemmungslos Nahrung zu sich nehmen können (mit wunderschönen Bildern fein zubereiteter Speisen, gerne präsentiert auf der hübschen Terrasse mit Blick auf den grünen Garten), liefern sich manche heftige und heftigste verbale Schlachten in den virtuellen Diskussionen. Angesichts der Schärfe dieser Diskussionen mag man sich gar nicht vorstellen, wie es wohl aussieht, wenn sich die Diskutanten eines Tages wieder in der realen Welt gegenüber stehen.

In etwas mehr als einem Monat haben viele die grundlegendsten Regeln des zivilisierten Umgangs miteinander verlernt, geschützt hinter dem Bildschirm wird beleidigt, gedroht, gepöbelt. Viele posaunen die abstrusesten Dinge in die Welt und hetzen sofort los, sobald jemand ihre Thesen hinterfragt. Der eigenen Unsicherheit, Frustration und Angst fehlen die Ventile und in den Sozialen Netzwerken brechen die Dämme. Selbst intelligente und freundliche Bekannte kommunizieren inzwischen in den Netzen wie die letzten Schulhof-Bullys.

Natürlich betrifft das nicht alle. Dass es in einer solchen Krise an Anhaltspunkten fehlt, wie man mit dieser Situation umgeht, das ist verständlich. Doch ist diese Entwicklung höchst bedenklich. Speziell in einer Situation, in der die politische Komponente eine große Rolle spielt, denn die Krise ist mitten hinein in die wichtigen Kommunal- und OB-Wahlen gefallen. Und alle zeigen gegenseitig mit dem Finger auf die anderen, machen sich gegenseitig verantwortlich, suchen Schuldige und kündigen bereits heute „Rache“ an. Stop, das ist die falsche Richtung!

Statt zu erkennen, dass wir alle im gleichen Boot sitzen und in die gleiche Richtung rudern müssen, spielt man in Frankreich „Schiffe versenken“. Egal, wann es zur Aufhebung der Ausgangssperre kommt, bis dahin werden sich alle ein wenig beruhigt haben müssen, denn die soziale und Wirtschafts-Krise, die danach folgen werden, stellen die Menschen erneut vor eine riesige Anspannung. Tag 34, seid solidarisch! Stoppt die verbale Gewalt in den Netzen! Hört auf, die Wut auf diese schlimme Krise beim Nachbarn zu suchen! Und hört endlich auf, ständig Öl ins Feuer zu gießen…

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