Embedded. Ausgangssperre, Tag 37. „Modell Deutschland“.

Schon der 37. Tag einer strikten Ausgangssperre, die so ganz anders ist als in Deutschland. Wer am Ende richtig gehandelt haben wird, das wird man eben auch erst am Ende wissen.

Die Kanzlerin mahnt und mahnt, aber die Deutschen wollen den Frühling geniessen... Foto: Kremlin.ru / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Tag 37, Ausgangssperre ist in Frankreich auch genau das, was der Begriff sagt. Ausgangssperre. Polizeikontrollen. Hunderttausende Strafzettel von 135 €. Sie sind nicht einverstanden, diskutieren am Ende noch mit den Polizisten? Dann kann es ganz schnell auch teurer werden. Um Einkaufen oder eine Stunde in einem Radius von maximal einem Kilometer spazieren zu gehen, brauchen Sie eine schriftliche Ausnahmegenehmigung, die man seit einiger Zeit auch per Internet und QR-Code erstellen kann. Das ist so, als würde man sich damals in der Schule selbst eine Entschuldigung fürs Schulschwänzen geschrieben haben. Und neidisch blicken viele Franzosen auf das „Modell Deutschland“.

Aber ist das „Modell Deutschland“ wirklich so beispielhaft? Deutschland hat relativ viel Glück gehabt, dass es in der Frühphase nicht zu Clustern wie in der Lombardei oder im Elsass gekommen ist, sondern dass die ersten Infektionsherde schnell identifiziert und die Betroffenen in Quarantäne genommen werden konnten. Und dann, und das ist sicherlich das größte Fragezeichen, wird sich noch zeigen müssen, ob die schnelle Lockerung der Maßnahmen in Deutschland nicht doch zu der bisher ausgebliebenen, ganz großen Welle führt, was ja viele Virologen befürchten. Das aber hält die Franzosen nicht davon ab, ständig davon zu reden, wie toll Deutschland das alles managt, und das wird dann zumeist als Beweis dafür angeführt, wie schlecht Frankreich mit der Situation umgeht. Aber für solche Betrachtungen ist es eindeutig zu früh.

Täglich lernen die Wissenschaftler mehr darüber, mit was für einem Virus man es zu tun hat. Es verdichten sich die wissenschaftlichen Berichte, die erklären, dass das SARS-CoV-2 nicht etwa nur eine Lungenkrankheit auslöst, sondern die innere Beschichtung der Blutgefäße angreift und dabei den Sauerstofftransport des Bluts zu allen Organen unterbinden kann. Herz, Leber, Nieren, Gehirn, alle Organe können nach dieser Theorie, die von mehreren seriösen Forschergruppen unabhängig voneinander entwickelt wurde, vom Virus angegriffen werden und zum Ausfall dieser Organe führen. Das wäre schlimm und würde gleichzeitig bedeuten, dass alle bisher geführten Statistiken schlicht und ergreifend falsch sind. Wenn jemand in den letzten Wochen an Herzversagen gestorben ist, kam niemand auf die Idee, post mortem zu überprüfen, ob das mit dem Virus in Zusammenhang stehen könnte.

Was ebenfalls gegen ein „Modell Deutschland“ spricht, ist die überraschende Disziplinlosigkeit der Deutschen. Am Tag der Lockerungen verschiedener Maßnahmen, wie der Wiedereröffnung vieler Geschäfte, waren die Innenstädte mächtig belebt, wobei, die die Badische Zeitung aus Freiburg berichtete, nur ungefähr eine von 5 Personen eine Gesichtsmaske trug.

Und in Frankreich wird angesichts neuer Erkenntnisse wieder darüber diskutiert, ob es Sinn macht, nach dem 11. Mai wieder die Schulen zu öffnen, für gerade mal einen Monat Unterricht vor den Sommerferien. Das erscheint plötzlich alles andere als sicher, denn die Unsicherheit darüber, was dieses Virus tatsächlich macht, lässt die Schulöffnung als Experiment erscheinen. Doch man kann nicht mit Schulkindern Experimente durchführen, die sich als lebensgefährlich für die Kinder selbst, aber auch für die Familien erweisen kann, die ihrerseits von ihren eigenen Kindern angesteckt werden könnten.

Der neidische Blick nach Deutschland lohnt sich nicht – die 16 unterschiedlichen Lockerungsregeln in 16 Bundesländern verhindern ein einheitliches Vorgehen und somit auch eine präzise Einschätzung, was dort gerade passiert. Statt vom „Modell Deutschland“ zu reden, sollte man jetzt genau hinschauen, was für Konsequenzen das fröhliche Ausschwärmen der Deutschen in ihre Innenstädte für Konsequenzen hat. Tag 37, ob die strikte Ausgangssperre in Frankreich oder die frühlingshafte Leichtigkeit in Deutschland am Ende das bessere Vorgehen für die Menschen war, das werden wir erst in einigen Wochen oder Monaten wissen. Bis dahin gibt es keine „Modelle“.

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