Embedded. Ausgangssperre, Tag 40. Ja, nee, is klar…

Zum runden Jubiläum der Ausgangssperre schauen wir ausnahmsweise mal nicht nach Straßburg, sondern nach Berlin. Wo ebenso wie in Stuttgart ein paar Hundert Demonstranten um Covid-19 gebettelt haben.

Das Virus SARS-CoV-2 greift offenbar nicht nur die Lungen an... Foto: ScS EJ

(KL) – Tag 40 und langsam merkt man, dass das Coronavirus nicht nur die körperliche Gesundheit vieler Mitmenschen angegriffen hat, sondern auch den einen oder anderen reichlich verwirrt. Als ob es das Virus nicht gäbe, haben in Berlin und Stuttgart jeweils ein paar Hundert Demonstranten für die freie Ausübung des Demonstrationsrechts ohne lästige Barriere-Gesten, Sicherheitsabstand und anderen Schutz gegen das Virus demonstriert. Dabei waren nach TV-Berichten zahlreiche AfD-Anhänger und andere, die sich „das Grundgesetz wiederholen“ wollen. Wenn sie sich noch ein wenig anstrengen, dann schaffen sie es noch, dass das bisher relativ glimpflich davon gekommene Deutschland das Virus doch noch volle Breitseite abbekommt.

Die Diskussionen in Deutschland und Frankreich entwickeln sich gerade in entgegengesetzte Richtungen. Das ist sehr seltsam vor dem Hintergrund, dass ab Montag in allen Bundesländern eine Pflicht zum Tragen einer Gesichtsmaske beim Einkaufen und in den öffentlichen Verkehrsmitteln herrscht. Einerseits versuchen die Behörden also, die Bevölkerung vor dem Virus zu schützen und Entwicklungen wie in Italien, Frankreich, den USA oder Großbritannien zu verhindern, andererseits gibt es inzwischen in Deutschland eine Diskussion, dass man sich nicht so anstellen solle, die paar Toten wären nicht so schlimm. Frei nach dem Motto „am Ende sterben wir ja ohnehin alle“. Das stimmt. Das ist nun mal die Finalität des Lebens, der Tod. Dass sich jetzt allerdings Rechtsextreme und andere entnervte Zeitgenossen zum Herren über Leben und Tod aufschwingen und das Risiko für sich und vor allem andere eingehen, in Berlin und Stuttgart Cluster wie in der Lombardei und dem Elsass entstehen zu lassen, das weist eigentlich eher darauf hin, dass dieses Virus nicht nur die Lungen angreift.

Würden diese Demonstranten nur sich selbst gefährden, dann könnte man noch mit den Schultern zucken und sagen, dass es ihre freie Entscheidung ist, wenn sie krank werden und eventuell sterben wollen. Aber diese Leute sind gestern wissentlich das Risiko eingegangen, sich anzustecken und in der Folge weitere Menschen anzustecken, die nicht unbedingt danach gebettelt haben. Da die getroffenen Barriere-Maßnahmen in einer Pandemie-Situation schwerlich als verfassungswidrig einzustufen sind, bleibt nur, dass diese Demonstrationen wohl mindestens versuchte Körperverletzung sind.

Die Berliner Arroganz, die man auch in anderen Städten in Deutschland findet, beruht auf der völligen Unkenntnis dessen, was in den verschiedenen Clustern in Europa seit langen Wochen passiert. Deutschland hatte bisher großes Glück, reagierte in verschiedenen Situationen absolut richtig (schnelle Isolierung der ersten Fälle in Ingolstadt; schnelles Handeln in Rostock; schnelles Testen etc.), verfügt über eine gut ausgestattete Krankenhaus-Infrastruktur – und riskiert jetzt ohne Not, doch noch zu einem der größten Problemfälle zu werden.

Plötzlich tauchen selbst ernannte „Experten“ auf und behaupten, dass es in der Lombardei und im Elsass weniger Tote gegeben hätte, wenn man – gar nichts gemacht hätte. Und das Schlimmste ist, dass diese Illuminaten-Experten Follower finden, die sich auch noch den letzten Verschwörungstheorien anschließen. Da nützt es nichts, dass Wissenschaftler und Politik warnen und mahnen, die Vox Populi hat die Schnauze voll und dekretiert, dass die Krise vorbei ist. Auch, wenn sie das gar nicht ist. Tag 40, Deutschland springt mit Begeisterung vom 10-Meter-Turm in ein leeres Schwimmbecken.

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