Embedded. Ausgangssperre, Tag 43. Der Ausstiegs-Plan.

Premierminister Edouard Philippe hat gestern in der Nationalversammlung den Ausstiegsplan der Regierung aus der Ausgangssperre vorgestellt. Die Reaktionen zeigen, dass die Nerven blank liegen.

Noch stehen hinter den Ausstiegsplänen von Edouard Philippe viele Fragezeichen... Foto: ScS EJ

(KL) – Tag 43, der Ausstiegsplan wird konkreter. Gestern präsentierte sich Ministerpräsident Edouard Philippe vor der Nationalversammlung, in der 75 Abgeordnete saßen, in ordentlichem Abstand voneinander, und stellte den Ausstiegsplan aus der Ausgangssperre und den anderen Maßnahmen vor. Es war eine ziemlich ehrliche Rede, die allerdings mit vielen Konjunktiven und Fragezeichen gespickt war. Kein Wunder, denn der Regierungschef sagte es deutlich – die Krise ist noch nicht vorbei und es könnte zu einer zweiten Welle kommen, die das Land zu einem Zusammenbruch führen könnte. Die Reaktionen auf seine Rede waren fast reflexhaft – die einen klatschten, ohne richtig zugehört zu haben, die anderen jaulten auf, ohne richtig zugehört zu haben.

Vorab – Edouard Philippe hätte nicht vor der Nationalversammlung sprechen und sich der Kritik aussetzen müssen. Als Regierungschef hätte er die Beschlüsse der Regierung auch im Rahmen einer Pressekonferenz, im Fernsehen oder noch einfacher, als Pressemitteilung vorstellen können. Insofern war seine Rede durchaus eine Verneigung vor der parlamentarischen Demokratie, die zuletzt in Frankreich ziemlich heftig mit Füssen getreten worden war. Doch Edouard Philippe ist sich darüber im Klaren, dass die Französinnen und Franzosen entweder gemeinsam aus der Krise kommen oder gar nicht. Und dieses „gar nicht“ mag man sich nicht ausmalen.

Die französische Regierung versucht, wie alle anderen Regierungen auch, den großen Spagat zwischen Schutz der Bevölkerung und Verhindern des völligen wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Während man in Deutschland die sanitäre Krise kaum noch ernst nimmt, ist die Situation in Frankreich eine andere – Frankreich ist nach wie vor das Land mit der höchsten, vom Coronavirus ausgelösten prozentualen Sterberate auf der Welt. Kein Wunder, dass man hier die Gefahr einer „zweiten Welle“ deutlicher sieht, nachdem man bereits die erste Welle sehr hart abbekommen hat.

Die Ideen zur Lockerung der in Frankreich sehr strikten Maßnahmen am 11. Mai basieren auf dem, was man bisher weiß – und das ist nicht viel. Die Schule wird in Stufen wiedereröffnet, zuerst die ganz Kleinen (ohne Masken, nur für die Erzieherinnen), ab 18. März dann die Mittelschulen (Collège) und erst ab 2. Juni die Gymnasien. Klar, kann man diskutieren. Und viele Eltern werden sich verständlicherweise weigern, ihre Kinder in ein solches „Experiment“ zu schicken. Aber selbst das ist noch nicht in trockenen Tüchern.

Dann wird bei der Lockerung der Maßnahmen eine große Unterscheidung zwischen den Departements gemacht. An Mai werden alle Departements anhand der aktuellen Zahlen entweder in die Kategorie „rot“ oder die Kategorie „grün“ eingeteilt und diese Einstufung wird täglich im Fernsehen zu verfolgen sein. „Rot“ bedeutet, dass das Virus dort immer noch sehr aktiv ist und folglich werden dort strengere Maßnahmen bestehen bleiben als in den „grünen“ Departements. Auch das ist nachvollziehbar, denn es gibt Regionen in Frankreich, die von dem Virus praktisch überhaupt nicht betroffen sind und andere, wie beispielsweise die Region „Grand Est“ oder auch die „Île de France“, die das Virus extrem heftig erwischt hat.

Ab dem 11. Mai sollen dann auch die Ausgangsgenehmigungen wegfallen, wobei nach wie vor Sport nur alleine und im Freien betrieben werden darf und der Profifußball ist bis September gesperrt, was auch die Diskussionen im Verband um die Fortführung der Saison beenden dürfte.

Reisen über 100 km erfordern eine Sondererlaubnis und einen triftigen Grund, ansonsten sollen auch keine Reisen über die eigene Departementsgrenze hinaus erfolgen.

Aber – all das wird hinfällig, sollten sich die Franzosen bis zum 7. Mai nicht an die Sicherheitsregeln halten und eine erneute Infektionswelle ausbrechen. Am 7. Mai wird Bilanz gezogen und endgültig entschieden, ob der Plan umgesetzt werden kann oder hinfällig wird und neu überdacht werden muss.

Während der Rede von Edouard Philippe habe ich mir die Frage gestellt, was der Mann hätte anderes sagen können. Eigentlich nicht viel. Der Zeitpunkt feste Versprechen und Zusagen machen zu können, ist einfach noch nicht gegeben. Dennoch polarisierte seine Rede nur Minuten später bereits in den sozialen Netzwerken. Das wäre aber wohl auch der Fall gewesen, hätte er andere Dinge gesagt. Ein Zeichen, dass das Vertrauen in die Regierung recht nah am Nullpunkt angekommen ist.

Ob der lang ersehnte Ausstieg aus diesem Albtraum der Ausgangssperre tatsächlich am 11. Mai stattfindet, hängt nicht zuletzt an den Franzosen und deren Disziplin bis zu diesem Zeitpunkt. Tag 43, drücken wir die Daumen, dass bis zum 7. und dem 11. Mai nichts erneut Schlimmes passiert. Hoffen darf man, sicher sein kann man sich nicht.

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