Embedded. Ausgangssperre, Tag 44. Hurra, es regnet!

Seit Wochen strahlte die Sonne und erinnerte uns daran, wie schön der Frühling in freier Wildbahn ist. Und nun regnet es. Vorteil – niemand meckert, weil er daheim bleiben muss.

Irgendwie schön, wie ein Gruss aus einer anderen Zeit... Foto: PRA at French Wikipedia / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Fast hätte ich es dem Freund und Kollegen Michael Magercord gleich getan und ein fröhliches „Heraus zum 1. Mai!“ in die Runde geschmettert. Heraus zum Tag der Arbeit, zu Gewerkschafter-Demos und Grillwürstchen, Sozialforderungen und Dosenbier – aber halt, nicht dieses Jahr! Wir sind daheim eingesperrt und das ist am Vorabend des Tags der Arbeit überhaupt kein Problem!

Draußen schüttet es wie aus Gießkannen und es will überhaupt niemand ‘raus. Nur ein paar Hartgesottene, die trabend oder auf dem Fahrrad gegen die Ausgangssperrenkilos ankämpfen, die sich viele in der gähnenden Langeweile des seit ewigen Zeiten Eingeschlossenseins anfressen. Ansonsten ist es plötzlich daheim sehr aushaltbar. Was so ein paar Regentropfen ausmachen können – den Unterschied zwischen Disziplin und Regelüberschreitung.

In Frankreich werden sie morgen trotz Ausgangssperre an allen Straßenkreuzung stehen und die traditionellen „Muguets“ in Sträußchen verkaufen, Maiglöckchen, mit denen man seinen Lieben eine kleine, hübsche Frühlingsaufmerksamkeit schenkt. Wenn’s mal nur so wäre… die meisten der kleinen Sträuße werden wohl bei den Käuferinnen und Käufern in der Vase landen, denn nach wie vor herrscht eine strenge Ausgangssperre, die den Lebensradius auf einen Kilometer um die Wohnung beschränkt und zwar für eine maximale Dauer von einer Stunde. Und nach wie vor benötigt man diese seltsame Ausgangserlaubnis, die man sich selbst ausstellt und ohne die ein Spaziergang eben 135 € kostet. Weit mehr als eine Million Strafzettel hat die Polizei bereits ausgestellt.

Auch, wenn noch völlig offen ist, wann die Ausgangssperre im Elsass aufgehoben werden kann, so sind jetzt bereits starke Veränderungen am Verhalten einiger Zeitgenossen erkennbar. Sehr interessant ist in den frühen Morgenstunden der Blick in die Sozialen Netzwerke. Offenbar sitzen schon ganz früh morgens viele mit gefletschten Zähnen und dem ersten Kaffee auf dem Sofa und warten nur darauf, sich in heftige Verbalschlachten stürzen zu können. Dabei fällt auf, dass der Weg vom ersten Missverständnis bis zur offenen Beleidigung immer kürzer wird. Wer nicht der eigenen Meinung ist, wird schnell zum Vollidioten, und gäbe es eine Möglichkeit, virtuell Duelle auszutragen, würde sich die Bevölkerung Europas jeden Morgen um einen hohen Prozentsatz verringern.

Dabei wäre es gut daran zu denken, dass es irgendwann auch wieder ‘raus geht. Vielleicht noch nicht am 11. Mai bei uns im Elsass, denn unsere Departements sind immer noch tiefrot und müssen erst wieder grün werden, damit wir etwas mehr Freiheit genießen können. Und fast kommt man sich blöde vor, wenn man immer und immer wieder darauf hinweist, dass der schnellste Weg an die frische Luft über den Boulevard de la Discipline führt – über Barriere-Gesten, Daheimbleiben, Hände waschen und all das, was Sie schon Tausende Male in den letzten Wochen und inzwischen schon Monaten gehört haben.

Die Maiglöckchen erinnern mich an den Geruch von Waldmeister im Wald in der Eifel, an Sonnenstrahlen, die durch das Geäst fließen, an Spaziergänge auf weich federndem Waldboden. An Zeiten ohne dieses Virus, das uns alle gerade verändert. Seit sechs Wochen ächzen wir nach dem „Déconfinement“ – Tag 44, jetzt, wo es immer näher rückt, stellen sich plötzlich alle die Frage, wie es denn so sein wird. Einfach, die Zeit nach dem Virus wird so werden, wie wir sie gestalten. Es liegt an uns und nicht nur an Regierungen. Machen wir das Beste daraus!

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