Embedded. Ausgangssperre, Tag 48. Der U-Boot-Koller.

Gerade kippt die Stimmung um. Der U-Boot-Koller setzt ein. Das Phänomen ist beschrieben, aber nie so richtig erforscht worden. Und gleichzeitig erweisen sich Freunde als – echte Freunde!

Demnächst plantschen wir wieder mit Freunden im Wasser - es ist nicht alles stressig und nervig! Foto: Aman dsc / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Tag 48, wir sind auf dem Weg zum runden „Lockdown“-Jubiläum. Und plötzlich kippte die Stimmung. Bislang fröhliche Menschen werden gerade melancholisch, bisher genervte Menschen werden bösartig. Nur ein paar wenige Ausnahmen ziehen weiter munter ihre „Lockdown“-Kreise. Eigentlich hätte man diesen Stimmungsumschwung erwarten können müssen, denn das Eingesperrtsein existiert auch in anderen Umständen. Der Vergleich mit dem Gefängnis haut nicht hin, denn da gelten noch einmal ganz andere Regeln, aber der Vergleich mit dem U-Boot kommt der Wirklichkeit recht nahe.

Seit 48 Tagen fehlen uns jede Menge Dinge. Freuden. Berührungen. Begegnungen. Platz und Auslauf. Intimsphäre. Wandern im Wald oder entlang der Arme des Ill oder am Rhein. Mit der Straßenbahn nach Kehl fahren, bei Pierrot ein Eis essen und nach dem Einkaufen wieder zurück fahren. Die Selbstverständlichkeiten des Lebens. Und das führt zum U-Boot-Koller. Und diesen U-Boot-Koller leben die einen besser, die anderen schlechter. Man muss sich nur die Debatten in den sozialen Netzwerken anschauen. Der Ton wird immer schärfer, beleidigend, Facebook bekommt eine Ventilfunktion.

Es gibt aber auch genug Gründe zum Streiten. Niemand blickt mehr mit den Masken durch, niemand blickt mehr mit der Lockerung des Lockdowns durch, alle haben eine feste Meinung, was die verschiedenen Therapien anbelangt, von denen es eigentlich nicht viel Positives zu berichten gibt, die wahren Eigenschaften dieses Virus und dessen Tödlichkeit sind immer noch nicht richtig klar und hinter allem lauert die Angst. Die Angst vor der Krankheit, denn selbst die größten Leugner des Virus wissen im Grunde ihres Herzens, dass sie es besser nicht erwischen sollten, denn man kann nicht nur sehr krank davon werden, sondern auch daran sterben. Und die Angst vor der unmittelbaren Zukunft – Arbeitslosigkeit, längere Arbeitszeiten, soziales Elend, persönliche Schwierigkeiten. Da lässt es sich nach 48 Tagen nicht mehr so richtig souverän drüber diskutieren.

Doch es gibt nicht nur Negatives zu berichten. Aus Freunden sind gute Freunde geworden, nicht wahr, Nicolas, Mats, Carmen, Thierry, Christel, Jean-Marc, Franck, Frantisek, Elyssa, Marc, Christine, Jacques, Babs, Loïc, Jacky, Véronique, Rebecca und alle, die ich ganz am Ende noch richtig würdigen werde. Ohne euch könnte ich das hier alles vielleicht gar nicht mehr schreiben. Ihr habt mich nicht nur über die 25 Tage dieser Krankheit gehievt, wofür ich euch ewig dankbar sein werde, sondern aus dieser Fürsorge haben sich teilweise lose Freundschaften zu einem neuen Tribe entwickelt. Durch die Entfernung seid ihr mir unendlich nahe gekommen, so nahe, wie es vielleicht draußen, in freier Wildbahn, nie passiert wäre. Der Alltagsstress und die Geschwindigkeit des Lebens schütten vieles zu, was wertvoll ist.

Dieser Gedanke bringt mich durch den U-Boot-Koller. Und macht heute schon Freude auf das Wiedersehen, außerhalb der Bildschirme und des Telefons. Denn das, was hier entstanden ist, das wird bleiben, das haben wir alle verstanden. Diese zwischenmenschliche Wärme ist so wichtig, sie gehört zu dem, was die positiven Seiten des Lebens ausmacht. Tag 48, eigentlich könnte man sich den Kopf an die Wand schlagen, aber dann kommt wieder dieses Lächeln und der schöne Gedanke, dass ich reicher bin als Warren Buffet – ich habe Freunde und sie haben mich. Soll er ruhig weiter sein Geld zählen, wir haben schöne Sommertage vor uns!

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