Embedded. Ausgangssperre, Tag 5. Geduld.

Die Zeit während der Ausgangssperre vergeht im Kriechmodus. Man hängt halt 'rum. Und schaut dem Minutenzeiger zu, wie er sich über das Ziffernblatt quält.

Die Zeit während der Ausgangssperre vergeht schleppend und zäh... und wir sind erst an Tag 5! Foto: Renardo la vulpo / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Tag 5. Erst Tag 5. Es fühlt sich an, als wären wir schon seit ewigen Zeiten eingesperrt. Confiné. Ausgangsgesperrt. Auf der anderen Rheinseite macht man noch die feine Unterscheidung zwischen „Ausgangssperre“ und „Ausgangsbeschränkung“. Im Französischen gibt’s nur ein Wort dafür – „confinement“. Eingeschlossen. Und das wird jetzt auch noch verschärft, weil einige Schwachköpfe meinten, dass es doch total witzig sei, sich einfach nicht an die Beschränkungen und Hygiene- und Barriere-Vorgaben zu halten. Denn bis dato waren es faktisch nur Beschränkungen, mit denen wir umzugehen hatten, Beschränkungen, die vor allem auf Freiwilligkeit beruhten. Und auf der Erkenntnis, dass der sicherste Ort, an dem man weder jemand anderen ansteckt noch sich selbst, daheim ist. Aber das war für manche Zeitgenossen deutlich zu schwer zu verstehen.

Gut und schlecht – mein Fernseher hat den Geist aufgegeben. Gut, weil ich dann wenigstens in den kommenden Wochen nicht vollständig verblöde, schlecht, weil ich vermutlich in den kommenden Wochen durchdrehen werde. Ich verbringe meine Tage in Jogginghose und Sweatshirt. Logisch, keine Termine draußen. Und das ist ein Fehler. Plötzlich spring mit der Satz von Karl Lagerfeld in den Sinn: „Wer außerhalb einer Sporthalle eine Jogginghose trägt, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Und selbst in einer Sporthalle…“. Das trifft jetzt aber ganz schön zu. Verdammt. Morgen früh, rasieren und normale Klamotten anziehen. Wehret den Anfängen. Diese Ausgangssperre wird noch ganz schön lang werden.

Ich frage mich, ob es besser ist, so wie ich alleine „konfiniert“ zu sein oder ob es kurzweiliger ist, mit einer Partnerin oder gleich der ganzen Familie weggeschlossen zu werden. Aus China hört man, dass dort, wo deren Ausgangssperre aufgehoben worden ist, jede Menge Scheidungen eingereicht werden. Während unsereins bereits anfängt, sich selbst laut die Antworten auf die Fragen zu geben, die man sich leise im Kopf stellt, dürften die „Mehrfach-Konfinierten“ in ein paar Tagen mit dem Messer aufeinander losgehen. Und draußen stehen dann die Soldaten und kassieren bei jedem, der ohne ordnungsgemäß ausgefüllter und überprüfbaren Ausgeh-Genehmigung 135 € ein. Oder 375 €, falls sie das in den letzten Stunden geändert haben sollten.

Die Regierung gibt eine schwache Figur ab. Staatssekretär Nunez erklärt im Interview, dass es natürlich ausreichend Schutzmasken für alle gäbe (ja, ja, das sehe ich auch ohne Fernseher – Tablet, Smartphone und Computer sind die Kontaktlinien in die Anderswelt…) und da stellt sich doch die Frage, ob seit Tagen das gesamte medizinische- und Pflegepersonal lügt, wenn sie in dramatischen Appellen um die grundlegendsten Ausrüstungsgegenstände betteln oder – ob es vielleicht der Politiker ist, der lügt? Geradezu witzig ist die französische Regierungssprecherin, die ziemlich junge, unerfahrene und dämliche Sibeth N’Diaye, die den Franzosen vor den Bildschirmen erklärt, dass man eh keine Schutzmasken bräuchte, zumal diese ja auch wirklich in der Handhabung zu schwierig seien. Sie persönlich wäre ja gar nicht in der Lage, sich so ein Maskenungetüm über das Gesicht zu ziehen. Man versteht, dass sich mancher Franzosen Sorgen macht, wenn die Sprecherin der Regierung offenbar nicht in der Lage ist, sich zwei Gummibänder links und rechts hinter das Ohr zu ziehen. Langsam erreichen wir ein Niveau, auf dem so etwas nur deswegen noch durchgeht, weil alle auf dem Sofa ‘rumlümmeln, sich kopfschüttelnd diesen Blödsinn ‘reinziehen, um dann wieder auf den Nachrichten-Sites zu schauen, wie sich in der letzten Stunde die Ausbreitungszahlen des verdammten Virus entwickelt haben.

Die Zeit wird lang. Mein Fernseher fehlt mir. Aus dem quatschte es wenigstens sonst die aktuellen Nachrichten heraus. Aber so – Stille. Nur um 20 Uhr vom Klatschen für die Krankenschwestern und Ärzte und all die anderen Helfer unterbrochen. Die Nachbarn waren zu früh dran und fingen schon um 19:56 Uhr an zu klatschen. Das brachte ihnen aber schnell einen Ordnungsruf von anderen Nachbarn ein. Tag 5. Die Menschen zeigen die ersten Verhaltensstörungen. Morgen früh – rasieren, anziehen und dann einen Plan für den „Corona-Putz“ entwerfen. Osterputz fällt dieses Jahr aus. Genau wie Ostern.

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