Embedded. Ausgangssperre, Tag 6. Welchen Tag haben wir heute?

Die Ausgangssperre ist eine völlig neue Erfahrung. Schon ein seltsamer Kampf, den man auf dem Sofa liegend führt. Aber im Haus bleiben ist tatsächlich das Beste.

Bei dem schönen Wetter geht doch nichts über ein Jogging zu dritt. Wie bescheuert ist eigentlich ganz bescheuert? Foto: C Faivre

(KL) – Tag 6. Immer noch erst Tag 6. Ausgangssperre, das bedeutet, dass jeder zweite Ausgangsgesperrte den Tag damit verbringt, seine Kontakte in den sozialen Netzwerken mit Vermutungen, Gerüchten, Falschmeldungen und Horrorvideos zu bombardieren. Das Ärgerliche daran ist, dass zwischen all dem Blödsinn, der kursiert, auch immer mal eine wichtige Meldung steckt. Die dann genauso im Gewirr des kollektiven Geblubbers untergeht wie der Rest der Meldungen.

An die Stille gewöhnt man sich, das abendliche Klatschen wird etwas zur Routine, irgendwie lebt man wie ein einem Kokon. Ich habe mich rasiert. Mein Lieblings-Eau de Toilette benutzt. Ein Hemd angezogen. Beweisfotos gemacht. Denn plötzlich müssen Alleinkonfinierte sehr darauf achten, sich nicht in den eigenen vier Wänden gehen zu lassen. Sechs Tage nicht rasieren, sechs Tage Jogginghose, hoppla, das sieht man. Das wird in den kommenden Wochen wichtig werden – eine gewisse Routine einzuhalten.

Heute morgen bin ich wie jeden Morgen früh aufgestanden. Mit Wecker und allem. Um den Rhythmus zu halten. Bis ich gemerkt habe, dass gestern Sonntag war. Bei Ausgangssperre verläuft ohnehin jeder Tag gleich und wie ich höre, geht es vielen so – man weiß nicht mehr, was für ein Wochentag ist. Gestern war Sonntag. Zu normalen Zeiten wäre ich wohl nicht so früh aufgestanden. Und letztlich ist es völlig egal, was für ein Tag oder sogar wie viel Uhr es ist. Die Zeit läuft ein wenig rund, wie in Bill Murray’s „Und täglich grüßt das Murmeltier“, man hat das Gefühl, man erlebt den gleichen Tag wieder und wieder.

Erst der sechste Tag. Die Gerüchteküche vermeldet, dass die Schulen wohl im besten Fall erst wieder am 4. Mai öffnen. Am 4. Mai? Im besten Fall? Die Vorstellung, nicht ein paar Tage, sondern Wochen ausgangsgesperrt zu bleiben, ist beunruhigend. Wird es ausreichend Tabak (zu horrenden Preisen) in der Stadt geben? Auf die andere Seite kommt man ja nicht mehr – und das sind die Momente, in denen man sich selbst auf die Finger beißt, dass man keine Hamster-Tabak-Käufe gemacht hat. Diejenigen, denen wir hochmütig erklärt haben, wie dämlich diese Hamsterei ist, haben pfundweise Tabak nach Hause geschleppt und machen sich jetzt einen schlanken Lenz. Na ja, wer weiß, vielleicht muss man am Ende ja doch mit dem Rauchen aufhören.

Die Regeln für die Ausgangssperre werden besser eingehalten, aber noch nicht ganz. Aber besser. Mal schauen, wie sehr sie die Daumenschrauben weiter anziehen müssen.

Die Situation ist und bleibt irreal. Eine sich verdichtende Gerüchteküche sagt für Dienstag oder Mittwoch einen schwere Infektionswelle voraus. Aber schon jetzt sind alle Krankenhäuser völlig überlastet. Wie soll das funktionieren? Schon ein doofes Gefühl, mitten im Herzen eines der übelsten Cluster zu leben. Viele Freunde und Bekannte sind krank. Es wird von Todesfällen im Bekanntenkreis berichtet. Man kann es drehen und wenden, wie man will. Wir haben hier nur eine Chance – die strikte Einhaltung der Vorgaben. Schauen, dass wir das Ding nicht selber einfangen. Und wenn doch, hoffen, dass wir zu den 80 % derjenigen gehören, bei denen das SARS-CoV-2 höchstens leichte Symptome hervorruft. Was sonst?

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste