Embedded. Ausgangssperre, Tag 8. Tanz auf dem Vulkan.

So eine allgemeine Krise bringt ganz viel Erstaunliches ans Tageslicht. Man entdeckt viele Menschen und Dinge, wie sie wirklich sind. Im Guten wie im weniger Guten.

Wir kennen "The fiddler on the roof", das hier sind "Idiots on the balcony". Kleines Corona-BBQ mit acht Personen. Foto: Viviane P.

(KL) – Nun hat der liebe Gott die Weisheit nicht unbedingt gerecht verteilt. Die einen haben etwas mehr bekommen, die anderen etwas weniger. Und einige leider ganz, ganz wenig. So, wie unsere „Konfinierten“ gestern Abend auf ihrem Balkon in Strasbourg. Dort feierten sie eine prächtige Party, mit acht Erwachsenen, von denen keiner irgendeinen Schutz trug und die neben einer ganzen Reihe Verstöße gegen fast alle Vorschriften der Ausgangssperre eben Party machen wollten. Dabei war es fast ein Wunder, dass sie es bei ihrem Treiben nicht schafften, mit der kindsgroßen Gasflasche auch noch gleich das ganze Gebäude in die Luft zu jagen. Wegen solcher Vollpfosten werden nun die Bedingungen der Ausgangssperre noch einmal deutlich verschärft. Wie so oft – ein paar Deppen machen, was sie wollen, und alle anderen müssen es ausbaden.

Ansonsten kommt die Stadt Strasbourg immer mehr zum völligen Stillstand. Und man merkt auch, wie sehr man sich daran gewöhnt hat, beide Rheinufer als einen gemeinsamen Lebensraum zu betrachten und zu nutzen. Klar, viele Strasbourgeois fahren nach Kehl, um dort einzukaufen, aber das ist ein ebenso guter Grund wie jeder andere auch. Nur, das geht seit einer starken Woche nicht mehr. Wir sind gleichzeitig von unserer Stadt, aber auch von der anderen Rheinseite getrennt. Kehl fehlt. Und daran ist alles seltsam.

Erstaunlicherweise funktioniert aber auch etliches. So ist es für Journalisten extrem ungewöhnlich, vom Geschehen nur aus der Wohnung und hinter dem Computer zu berichten – aber dafür hat sich fast automatisch eine Art Kette der Solidarität eingerichtet, zwischen Journalisten, aber auch vielen anderen Bekannten und Freunden. Journalisten-Kollegen teilen die News, die sie erhalten, können diese mit anderen Quellen abgleichen und aller Fake-News-Vorwürfe zum Trotz korrekt berichten. Dafür einfach mal ein Dankeschön an die Kollegen, Redakteure, Fotografen – hier entstehen gerade Geflechte, die sicherlich auch nach der Corona-Krise Bestand haben werden. Nicht schlecht!

Ein Dankeschön aber auch an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Kommunikationsabteilungen der jeweiligen Ministerien, die mehr oder weniger 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche in einer extrem angespannten Lage da sind und auf unsere Fragen antworten. Wenn wir, völlig zurecht, von den vielen guten Geistern sprechen, die in dieser schwierigen Lage unerschütterlich ihren Job machen, dann sollten auch diese Menschen in den Ministerien mal mit einbezogen werden. Und, last but not least, vielen Dank an die vielen Freunde und Bekannte, die in dieser Situation den Reflex entwickeln, Fotos von ungewöhnlichen Situationen zu machen und uns diese zu schicken. Oft können wir diese tatsächlich verwenden und auch, wenn wir selber nicht mehr vor Ort sein können, erhalten wir viele Informationen und Bilder, die dann doch ein Gesamtbild ergeben. Und natürlich auch mal ein dickes Dankeschön an all unsere Kontributoren, die ja auch alle „konfiniert“ sind und ihre Zeit und Energie positiv in das Schreiben von Artikeln umlenken.

Ansonsten warten hier gerade alle auf das Eintreffen des Corona-Tsumanis. Der ist für heute oder morgen angekündigt und könnte üble Folgen haben. Sollten die Fallzahlen noch einmal dramatisch steigen, was ja angekündigt ist, werden die Ressourcen nicht mehr ausreichen, die Kranken weiterhin versorgen zu können.

Im kleinen Supermarkt um die Ecke, den ich jetzt nehmen muss, da man zu weiter entfernt liegenden Supermärkten nicht mehr laufen darf (Strafe 135 €), waren heute viele Regale leer. Die Klassiker waren ausverkauft – Klopapier (meine Reserve beläuft sich auf 4,5 Rollen und mit denen werde ich nur dann bis zum Ende der Corona-Krise kommen, wenn ich aufhöre zu essen), Nudeln aller Art und Dinge wie Milch oder Butter. Überall hingen Zettel „Nächste Lieferung Donnerstag“, was an einem Montag nicht unbedingt ein Zeichen dafür ist, dass die Hamsterkäufer wirklich so falsch lagen.

Und Tabak müsste man jetzt auch in Strasbourg kaufen – 60 % teurer als in Kehl. 60 %! Da wird dann jede Zigarette zu einem Akt des Luxuskonsums. Vermutlich sind wir gerade sehr zahlreich in unserem „Confinement“, die sich die Frage stellen, ob es nach dem Aufbrauchen der letzten Vorräte nicht wirtschaftlich und gesundheitlich sinnvoller wäre, dann doch mit dem Rauchen aufzuhören. Zumal immer deutlicher wird, dass vor Anfang Mai keiner von uns hier wieder herauskommt. Schaun mer mal. Aber dass sich bereits am Tag 8 die Lage noch einmal deutlich verschärft, damit hatten nicht alle gerechnet.

Die erste von vielleicht vielen Wochen der Ausgangssperre ist herum. Die Menschen organisieren Ketten der Solidarität, die Telefone laufen heiß und – das Internet wird immer langsamer. Kein Wunder, Telearbeitsplätze und bei vielen laufen Netflix & Co. den ganzen Tag und die halbe Nacht – da geht dann irgendwann jede Bandbreite in die Knie. Das allerdings sollte nicht passieren – sollte Internet ausfallen, dann dürfte es schwer werden, diese Ausgangssperre aufrecht zu erhalten. Denn die Facebook, Email und Twitter sind die wichtigsten Kommunikationsmittel, unsere „Life Line“ zur Außenwelt, unsere Schnittstelle zum wirklichen Leben. Tag 8 und ja, das wird noch ganz schon lange und zäh werden…

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