Embedded. Ausgangssperre, Tag 9. Geht’s los?

Die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns mit diesem dämlichen SARS-CoV-2 infizieren, stehen leider hoch. Bei 60 bis 70 %. Und so kommt, was kommen muss...

Äh, wo genau kommt das Ding nochmal hin? Auf jeden Fall immer an die gleiche Stelle... Foto: Berthold Werner / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Mist – beim Aufwachen die ersten Symptome. Ein Husten, der das Maß des „normalen“ Raucherhustens um Längen schlägt. Vor dem ersten Kaffee. Je länger der Husten andauert, desto mehr steigt die Betriebstemperatur. So von innen heraus. Dazu Halsschmerzen. Und dann der Kaffee. Wofür gibt man viel Geld für teure Markenkapseln aus, wenn die dann genau so schmecken wie die ganz Billigen? Heiß ist der Kaffee, gebongt, aber schmecken tut er nach nichts. Moment mal, Husten, Halsschmerzen, Hitzeschübe und Geruchs- und Geschmacksverlust? War da nicht was? Doch, da war was. Verdammt.

Es ist nicht schlimm. Jede stramme Grippe bläst einen mehr um. Aber das ist gar nicht so das Problem. Zur Erinnerung – wir leben in einer der am schlimmsten betroffenen Corona-Regionen in Europa, im Elsass. In dieser Region, aus der dankenswerterweise gerade Schwerstkranke per Hubschrauber, Militärflugzeug, Sonder-TGV und Krankenwagen in andere, weniger betroffene Regionen transportiert werden, in Frankreich selbst, aber in einem wunderbaren Elan der Solidarität auch in die Nachbarländer. Das passiert deswegen, weil die Krankenhäuser hoffnungslos überfüllt sind, sich nur noch um schwerste Fälle kümmern können und das in einem Land, das gerade den „sanitären Notstand“ ausgerufen hat. Wir sind also mittendrin statt nur dabei. Da fühlt es sich ein wenig mulmig an, wenn man plötzlich selbst Symptome spürt.

Wie gesagt, es ist nicht schlimm. Von jedem Symptom etwas, aber nichts richtig Übles. Das Husten ist ab und zu etwas nervig, aber erträglich. Eine Riesenmüdigkeit. Ich verschlafe den halben Tag und bei Aufwachen mitten am Nachmittag ist auf jeden Fall die Temperatur normal. Der Rest ist aber noch da. Diejenigen Freunde und Bekannten, die in den letzten Tagen und Wochen richtig krank waren, haben alle sehr Ähnliches berichtet. Eine erratische Temperatur-Entwicklung, mal Normaltemperatur und ein paar Stunden später richtig heftiges Fieber. Hab ich nicht.

Sehr irritierend ist es, praktisch nichts mehr zu riechen und kaum noch zu schmecken. Mein Freund Franck Dautel, der sensationelle Heilmittel auf Basis bester Bio-Ingedienzen herstellt, empfiehlt mir telefonisch die Mischung ätherischer Öle, die den schönen Namen „Maux d’hiver“, „Winterleiden“ trägt. Eine tolle Mischung, deren Duft innerhalb von Sekunden ganze Säle füllen kann. Nachdem ich ein paar Tropfen auftragsgemäß auf Fußsohlen und den Innenseiten des Handgelenks verrieben habe und an den Handgelenken rieche, kommt tatsächlich ganz schwach der Duft der „Maux d’hiver“ in die Nase. Dabei muss das ganze Zimmer sehr stark nach diesen flüchtigen Ölen riechen. Beunruhigend ist es auch, denn das ist nun tatsächlich eines der systematisch beschriebenen Symptome.

Für den Fortlauf der „Embedded-Serie“ ist das natürlich ein Glücksfall. Alleine „konfiniert“ habe ich nun alle Zeit und Muße der Welt, einen leichten Verlauf dieser Krankheit zu dokumentieren. Denn alle Symptome sind bei mir leicht.

Da betrifft es mich in den nächsten Tagen weniger, dass ich ohnehin gar keine gültigen Atteste mehr für Das-Haus-verlassen habe. Die hat die französische Regierung nämlich kurzerhand neu gestaltet, um schärfer kontrollieren zu können. Ganze Wälder sind dafür abgeholzt worden, die erste Version dieses Dokuments auszudrucken, zu kopieren, an Freunde und Bekannte zu verteilen. Schade, dass man das jetzt alles noch einmal machen kann. Es gibt Momente, da wiehert der Amtsschimmel in Frankreich sogar lauter als in Deutschland und wenn es um Formulare geht, dann sind die Franzosen deutscher als die Deutschen. Aber wie gesagt, ‘rausgehen ist jetzt erstmal überhaupt nicht angesagt, auch wenn ich Schutzmasken und Handschuhe habe. Essen und Trinken reichen noch für ein paar Tage und ich bin stolzer Besitzer von viereinhalb Klopapier-Rollen.

Der Besitz von Klopapier-Rollen ist das neue Statussymbol. Wenn man schon nicht mit dem Ferrari protzen kann, dann eben mit dem Klopapier-Vorrat, den man sich im Vorfeld angelegt hat.

Ach ja, die Gerüchteküche spricht jetzt davon, dass die deutlich verschärfte Ausgangssperre bis mindestens 28. April andauern soll. Oder noch länger. Gleichzeitig liest man, dass Präsident Macron die Ausgangssperre am liebsten wieder aufheben würde – denn die Wirtschaft bricht gerade zusammen. Das wird dann zu einer Güterabwägung – lieber Kranke an die Arbeit schicken, wo sie Dritte anstecken können, dafür aber arbeiten, oder zusehen, wie die Wirtschaft kaputt geht?

So oder so, die nächsten Wochen werden spannend werden. Leider auch für viele tragisch. Für wieder andere interessant. Und eines steht heute schon fest – sobald dem Virus die Zähne gezogen worden sind, werden die Wellen hoch schlagen und viele, die heute hohe Ämter bekleiden, werden ganz schön unangenehme Momente erleben. Aber alles zu seiner Zeit – jetzt schauen wir erst einmal, wie sich dieses dämliche Virus weiter entwickelt… Tag 9. Es geht los.

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