Emmanuel allein zuhause

Der Super-GAU für Emmanuel Macron ist eingetreten – bevor er seine Regierung umbauen konnte, hat Premierminister Edouard Philippe das Handtuch geworfen. Seinen Nachfolger Jean Castex kennt kaum jemand.

Der neue französische Regierungschef Jean Castex. Kennen Sie nicht? Die Franzosen kennen ihn auch nicht... Foto: Eriotac / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Erst vor wenigen Tagen haben wir es geschrieben – das politisch Schlimmste, was dem französischen Präsidenten gerade drohen könnte, wäre ein Rücktritt seines beliebten Premierministers, da ein solcher Rücktritt bedeuten würde, dass sich Edouard Philippe dann auf seine eigene Kandidatur zur Präsidentschaftswahl 2022 vorbereiten würde. Genau das ist gestern passiert. Der Nachfolger von Edouard Philippe, den Macron innerhalb weniger Stunden nach dem Rücktritt seines Regierungschefs aus dem Hut zaubern musste, zeigt deutlich, dass der „Macronie“ die Luft und das Personal ausgeht. Vom neuen Premierminister Jean Castex haben die meisten Franzosen noch nie etwas gehört.

Es ist reichlich Bewegung in der französischen Politik. Kurz vor der Regierungsumbildung, bei der Präsident Macron ein paar Minister austauschen wollte, um die letzten beiden Amtsjahre anzugehen, hat Premierminister Edouard Philippe den optimalen Zeitpunkt gewählt, um seinen Hut zu nehmen. Denn jetzt, da die Aufarbeitung der Coronakrise angefangen hat und er selbst auf einem Umfragehoch schwebt, verabschiedet er sich von seinem Posten und überlässt seinem Chef den ganzen Ärger, der nun auf die Regierung zukommt. Und um Emmanuel Macron herum wird es einsam.

Nach dem Debakel der Regierungspartei „La République en Marche“ bei den OB- und Kommunalwahlen hat Emmanuel Macron nicht mehr viele personelle Alternativen. Die Berufung des Konservativen Jean Castex (LR) zeigt, dass er in den eigenen Reihen niemanden mehr für diesen Posten aufstellen konnte. Der Bürgermeister von Prades im Departement Pyrénées-Orientales war zwar mit der Ausarbeitung des Plans zur Beendigung des Lockdowns beauftragt gewesen, war aber ansonsten im politischen Frankreich noch nie sonderlich in Erscheinung getreten. Die „Macronie“ verfügt über keinerlei Spitzenpersonal mehr.

Währenddessen kehrt Edouard Philippe nach Le Havre zurück, wo er gerade erst mit deutlichem Vorsprung seinen OB-Sessel verteidigt hat und von dort aus wird er in Ruhe seine Kandidatur für das Präsidentenamt 2022 vorbereiten. Und während er das tut, wird Emmanuel Macron mit seinen Getreuen zwei ganz schwere Amtsjahre bestreiten müssen, bevor er und seine „La République en Marche“ 2022 abgewählt werden. Bis dahin darf die Regierung die Folgen der sanitären und wirtschaftlichen Krise und deren Aufarbeitung stemmen, die wieder aufflammenden sozialen Krisen rund um die „Gelbwesten“ und die geplante Rentenreform managen und sich den zahlreichen Prozessen stellen, die gegen die Regierung und deren Mitglieder aufgrund des schlechten Managements der Coronakrise angestrengt worden sind. Keine tollen Perspektiven.

In den kommenden Tagen werden weitere Minister*innen ausgewechselt werden und man kann mit deren Nachfolger*innen nur Mitleid haben. Wer jetzt noch Minister*in in der Regierung Castex wird, der muss damit rechnen, dass seine politische Karriere mit diesem Mandat endet. Ein wenig nach dem Motto „der Letzte macht das Licht aus“.

Emmanuel Macron kann jetzt nur noch das Ende seiner eigenen Regierungszeit managen. Das Vertrauen seiner Landsleute hat er verloren, er verfügt über keinerlei Spitzenpersonal mehr, seine bisherige Amtszeit ist eine einzige Reihe von Fehlern, amateurhafter Politik und Skandalen. Dass Premierminister Edouard Philippe ihn nun hat im Regen stehenlassen, das zeigt, dass nicht einmal mehr seine engsten Mitarbeiter daran glauben, dass Macron noch einmal die Kurve schafft. Langsam wird es wirklich einsam im großen Elysée-Palast…

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