Emmanuel Macron, der Europäer

Nach dem ersten Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahlen organisierte Emmanuel Macron sein erstes großes Meeting in Straßburg. Und dabei gab er sich sehr europäisch.

Eine gute Rede in Strasbourg, sehr europäisch, aber im Fall seiner Wiederwahl muss Macron liefern. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – Die Ausgangslage vor der Stichwahl der französischen Präsidentschaftswahlen ist klar: Emmanuel Macron gegen die rechtsextreme Marine Le Pen, ein pro-Europäer gegen eine Europa-Gegnerin. Da lag es auf der Hand, dass der Kandidat für seine eigene Nachfolge sein erstes großes Meeting in Straßburg organisierte und sogar so weit ging, den zweiten Wahlgang am 24. April zum „Referendum für Europa“ zu boosten. Als glänzender Redner ging Macron locker mit den Gegendemonstranten um, die allerdings nicht sehr zahlreich waren. Ansonsten konnte man die Augen schließen und von einem paradiesischen Europa träumen, das Macron etwas vollmundig versprach. Und dabei vergessen, dass Macron in den letzten 5 Jahren so ziemlich das Gegenteil von dem getan hatte, was er nun wieder versprach.

Schon mutig, in so einer Rede zu behaupten, dass Europa die Klimakrise lösen würde, wenn die Menschen nur für ihn stimmen würden. Und dass Europa sozialer werden würde. Und dass wir uns ein „Europa der Energie“ vorstellen können. Irgendwie ist alles in Ordnung, wenn die Menschen nur für ihn stimmen würden. Nur, seine Konkurrentin Marine Le Pen ist ein leichter Fall für Emmanuel Macron. Auf der einen Seite, eine rechtsextreme Kandidatin, die als Europaabgeordnete lange Partnerin des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban war und auf der anderen Seite der Kandidat, der sich selbst als „Mr. Smart“ Europas sieht. Dass man das in den anderen europäischen Ländern ganz anders sieht, das weiß ja in Frankreich niemand.

Es war taktisch sehr gut, seinen ersten großen Wahlkampfauftritt nach dem ersten Wahlgang in der Europahauptstadt Straßburg zu absolvieren. Seltsam war, dass der immerhin noch amtierende Präsident vom ehemaligen OB Roland Ries empfangen wurde, der keinerlei offizielle Funktion mehr hat und dessen Hauptverdienst darin besteht, dass er kurz vor der Rente noch seine politische Familie verraten hatte und mit wehenden Fahnen von der PS zu Macron übergelaufen war. Was seine politische Karriere auch nicht verlängerte und seinen Adlaten bittere Wahlniederlagen einbrachte. Aber das war gestern…

In Macrons Rede ging es kaum um die Fragen, die heute die Franzosen beschäftigen. Am Rande streifte er das Thema „Kaufkraft“, mit der waghalsigen Behauptung, dass die Abschaffung der Reichensteuer ISF (eine seiner ersten Amtshandlungen 2017) „zu massiven Investitionen“ in Frankreich geführt hätten. Sicherheit, der Krieg in der Ukraine, die Pandemie, all das waren Themen, die bei der Straßburger Rede keine Rolle spielten. Das Thema, und das passte ja auch zu Straßburg, war Europa. Doch Europa wird nicht durch schöne Wahlkampfreden aufgebaut, sondern durch konkretes Handeln vor Ort. Und da sehen die europäischen Realitäten deutlich trüber aus, als die paradiesischen europäischen Zustände, die Macron für den Fall seiner Wiederwahl versprach.

Wird es für Macron reichen? Seine Chancen stehen gut, denn seine Gegnerin ist immer noch, wie so oft seit 20 Jahren, eine Le Pen. Und deren hasserfüllter Diskurs, der so ziemlich gegen alles ist, aber wenig zukunftsweisende Visionen enthält, klingt einfach deutlich unfreundlicher als die Ansage von Macron. Nur – Macron muss nun all das liefern, wovon er fünf Jahre nur gesprochen hat. So, wie Emmanuel Macron in Straßburg aufgetreten ist, dürfte es für seine verbittert wirkende Konkurrentin sehr, sehr schwer werden.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste